23. März 2016

So lesen Sie Renteninformation richtig!

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Sie gibt es in jedem Haushalt: „Die Schublade“ mit den Papieren, die man zwischen Weihnachten und Neujahr mal ausmisten wollte – und es doch dann nicht gemacht hat. Auch bei Thorsten Grewert*, Feuerwehrmann bei einer Werksfeuerwehr in Duisburg, gibt es so eine Krimskrams-Kiste. Neben den Mitteilungen der privaten Versicherer findet sich darin auch seine alljährliche Renteninformation der gesetzlichen Rentenversicherung. Eigentlich wollte er die Renteninformation nur lochen und abheften. Doch dann fing er an, sie aufmerksam zu lesen. 

Auf den ersten Blick scheinen die Beträge, die fett und umrahmt in dem Schreiben geschrieben stehen, nicht so unattraktiv für den 38-jährigen Familienvater zu sein. Doch die Deutsche Rentenversicherung benutzt – ähnlich wie ein Reisekatalog – eine blumige Sprache und versteckt wichtige Informationen im Kleingedruckten auf der Rückseite. Erste Erkenntnis beim Überfliegen der Zahlen: Sie sind brutto und nicht netto zu verstehen. Wer wie Thorsten Grewert in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist, muss von den Brutto-Beträgen auch noch seinen Anteil für Krankenversicherung der Rentner (KVdR) in Höhe von 7,3 Prozent, den kassenindividuellen Zusatzbeitrag und den Beitrag für die Pflegeversicherung der Rentner (PVdR) in Höhe von 1,175 Prozent abziehen.


Privat Krankenversicherte

Wer privat oder freiwillig gesetzlich krankenversichert ist, erhält im Rentenfall als Unterstützung für seine Prämien an die private Krankenversicherung einen Zuschuss zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Dieser Zuschuss orientiert sich an der Höhe der Brutto-Rente und beträgt zurzeit 7,3 Prozent. Auf dem Zusatzbeitrag ihrer Kasse bleiben diese Rentner genauso sitzen, wie auf den Beiträgen zur Pflegeversicherung. Diese müssen aus dem eigenen Portemonnaie gezahlt werden.


Risiko Erwerbsminderung unterschätzt

Die erste fette Zahl auf der rechten Seite der Renteninformation informiert über den aktuellen Stand der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Für Feuerwehrmänner ist eine mögliche Erwerbsminderung immer ein Thema. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllen die meisten aktiven Arbeitnehmer, so auch Thorsten Grewert.

verbrauchertipp: Fehlt bei Ihnen die Aussage über die Höhe der Rente wegen Erwerbsminderung, sollten Sie sofort einen Antrag auf Kontenklärung stellen. Nur so kann geklärt werden, ob Sie wirklich keinen Versicherungsschutz haben. Meist lassen sich durch Nachweise von beispielsweise der Kindererziehung die Lücken aufklären.

Schwierig wird es erst im Fall eines Falles, nachzuweisen, ob man wirklich erwerbsgemindert ist. Nur wer weniger als drei Stunden am Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, hat Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente. Wer mindestens drei aber weniger als sechs Stunden arbeiten kann, erhält die halbe Erwerbsminderungsrente. Lediglich für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, wird geprüft, ob man „berufsunfähig“ in seinem anerkannten Ausbildungsberuf ist. Könnte Thorsten Grewert, Jahrgang 1977, nicht mehr als Feuerwehrmann arbeiten, so wäre ihm aber jede andere ungelernte Tätigkeit zuzumuten.


Ein Fünftel erreicht Altersrente nicht

Laut Deutscher Rentenversicherung erreicht knapp ein Fünftel eines Jahrgangs nicht die Regelaltersrente. Die meisten werden um das 51. Lebensjahr so krank, dass an arbeiten nicht mehr zu denken ist. Häufigste Ursache sind seit Jahren die psychischen Erkrankungen. Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung kann eine zusätzliche Absicherung sein.


Reich in Rente?

Die zweite Zahl informiert über den derzeitigen Stand der Regelaltersrente. Wer ab Erhalt der Renteninformation beschließt, sich auf eine Parkbank zu setzen und nicht mehr in die Rentenkasse einzuzahlen, der darf sich bei Erreichen seiner Regelaltersgrenze – das Datum steht im ersten Absatz der Renteninformation – auf diesen Betrag freuen.


Regelaltersrente

Als Regelaltersrente wird die Rente bezeichnet, die man nach Erreichen seiner Regelaltersgrenze beantragen kann. Die Regelaltersgrenze ist abhängig vom Geburtsjahrgang vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben worden. Wer 1964 oder später geboren ist, kann diese Rente erst mit 67 Jahren beantragen.


Die dritte und letzte Zahl könnte man genauso gut bei einer Wahrsagerin erfragen: Sie prognostiziert für Thorsten Grewert die Höhe der Regelaltersrente unter der Voraussetzung, dass er weiterhin so in die Rentenversicherung einzahlt, wie dies in den vergangenen fünf Jahren der Fall gewesen ist, und es keine Rentenerhöhungen mehr gibt. Wie die Deutsche Rentenversicherung aber schon im ersten Absatz der Renteninformation warnt, kann sie die weitere Entwicklung nicht vorhersehen. Wer weiß schon, ob Thorsten Grewert morgen arbeitslos oder befördert wird? Oder ob er demnächst den Sprung in eine nicht rentenversicherungspflichtige Selbstständigkeit wagt? Und ist die Rente mit 67 eine wirklich verlässliche Regelung oder nimmt der Gesetzgeber noch weitere Veränderungen vor? Je weiter man vom Beginn der Regelaltersrente entfernt ist, desto unsicherer fallen naturgemäß die Antworten aus.

verbrauchertipp: Fällt die Vorhersage für die Regelaltersrente niedriger aus als im Vorjahr, so muss hier kein Fehler vom Amt vorliegen. Für die Hochrechnung werden immer die bis dato letzten fünf Jahre genommen. Sind hierin Einkommensverluste oder Lohnersatzleistungen wie Krankengeld enthalten, fällt der Durchschnitt kleiner und somit die Hochrechnung geringer aus.

Inflation ausgeblendet

Im weiteren Fließtext reibt die Deutsche Rentenversicherung dann schon sehr heftig an ihrer Glaskugel: Sie berechnet die Regelaltersrente unter der Annahme von Rentensteigerungen von einem und zwei Prozent. „Die Werte sahen vielversprechend aus, doch dann wurde mir bewusst, dass auch hier nur Brutto-Renten angegeben sind“, so Grewert. War nicht das erklärte Ziel der Renteninformation, das Informationsdefizit auf Seiten der Versicherten zu reduzieren und zur privaten Vorsorge zu animieren? Doch mit Rentenzahlungen, die wie bei Thorsten Grewert schnell mal 3000 Euro und mehr vorhersagen, wird die Notwendigkeit zusätzlicher privater Vorsorge nicht erkennbar. Hierzu müsste man nämlich etwas sehr Kompliziertes tun: die Renteninformation umdrehen.

Thorsten Grewert ging davon aus, dass ein Brief der „Mit freundlichen Grüßen – Ihre Deutsche Rentenversicherung“ endet und zusätzlich den fettgedruckten Hinweis „Bitte nehmen Sie diesen Beleg zu Ihren Unterlagen“ enthält, nun beendet sei. Den wichtigen Hinweis im ersten Absatz der Renteninformation „Auf der Rückseite finden Sie zudem noch wichtige Erläuterungen und zusätzliche Informationen“ hatte Thorsten Grewert am Ende des Briefes schon wieder vergessen.


Renteninformation kommt automatisch

Renteninformationen werden ab dem 27. Lebensjahr jährlich verschickt, sofern die allgemeine Wartezeit (= Mindestversicherungszeit von fünf Jahren mit Beiträgen, Kindererziehung etc. erfüllt ist). Ab dem 55. Lebensjahr werden sie alle drei Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Eine Rentenauskunft kann man aber jederzeit auch in jungen Jahren anfordern. Ein formloses Schreiben an Ihre Rentenversicherungsstelle genügt.


Und tatsächlich: Auf der Rückseite werden die Versicherten mit Informationen geradezu bombardiert: „Entgeltpunkte“, „aktueller Rentenwert“ und „Rentenbeiträge“ lassen den Kopf der Adressaten ordentlich rauchen. Die für das Verständnis der Renteninformation wirklich wichtigen Daten finden sich erst gegen Ende der Seite: Unter dem Stichwort „Rentenanpassung“ erfährt man, wie sich die Inflation auf die zu erwartende Rente auswirkt und wie hoch die Kaufkraft der auf der Vorderseite ausgeworfenen hochgerechneten Regelaltersrente sein wird. Gut, wer dann einen Taschenrechner zur Hand hat.


So berechnen Sie die tatsächliche Rentenhöhe

Für die Planung seiner Altersvorsorge sollte man die hochgerechnete Regelaltersrente (Vorderseite) mit dem späteren Wert der Kaufkraft von heute 100 Euro zum Beginn der Altersrente (Rückseite unter dem Punkt „Rentenanpassung, Kaufkraft und Inflation“) multiplizieren und dann durch 100 teilen.

Beispiel: Auf der Vorderseite beträgt die hochgerechnete Regelaltersrente (ohne Berücksichtigung von Rentenerhöhungen) 1790,68 Euro. Auf der Rückseite wird vorhergesagt, dass 100 Euro zum Zeitpunkt des Renteneintritts im Jahr 2022 nur noch eine Kaufkraft in heutigen Werten von gerade mal 65 Euro haben werden.

1790,68 Euro x 65 / 100 = 1163,95 Euro

Hiervon müssen dann noch die Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen und steuerliche Auswirkungen berücksichtigt werden. Wenn die vermuteten Rentenerhöhungen von ein Prozent oder gar zwei Prozent tatsächlich stattfinden, entspannt sich das Bild wieder. Für die Planung seiner eigenen Altersvorsorge sollte man aber von der pessimistischeren Lage ausgehen. Wenn die Rentenerhöhungen doch alle kommen, hätten Sie im Zweifel dann im Alter zu viel Geld und das ist gut zu verschmerzen.


Absicherung im Todesfall

Die Renteninformation ist nicht nur schwer zu lesen, sie verschweigt auch noch wichtige Informationen. Wer mit 27 Jahren und in den darauf folgenden Jahren eine Renteninformation erhält, bekommt mahnende Worte in Richtung Altersvorsorge „… eine zusätzliche Absicherung für das Alter wird immer wichtiger (Versorgungslücke)“. Ein Fingerzeig für die viel näheren „Wechselfälle des Lebens“, die da „Erwerbsminderung“ oder „Tod“ heißen, fehlt. Thorsten Grewert hat als Feuerwehrmann einen riskanten Beruf. Nicht auszudenken, wenn er seine Frau Lisa mit den zwei Kindern Fritz (7) und Baby Greta zurücklassen würde. Dann käme zu der menschlichen noch die finanzielle Katastrophe. Wie heißt doch ein Merksatz in vielen Fachbüchern: „Risikoabsicherung geht vor Vermögensaufbau!“. Gerade für junge Familien wäre es wichtig zu wissen, wie hoch eine Witwen-/Witwer- oder Waisenrente ist.

verbrauchertipp: Eine Witwen-/Witwerrente beträgt 55 Prozent (ältere Ehen: 60 Prozent) der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Hierauf wird eigenes Einkommen angerechnet, wenn der Freibetrag überschritten ist. Halbwaisenrenten betragen 10 Prozent, Vollwaisenrenten circa 20 Prozent der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Wer es genauer wissen will, sollte eine Rentenauskunft – nicht Renteninformation – bei seinem Rentenversicherungsträger anfordern. Darin finden sich auf den hinteren Seiten auch Aussagen zu den Renten wegen Todes.

Lücken schließen

Wer kann nicht nachvollziehen, dass die Renteninformation bei so einem Informationswust in Thorsten Grewerts Krimskrams-Schublade ihr Dasein fristet. Und doch darf das Schreiben der Rentenstelle dorthin nicht zurück. Denn die alljährlichen Renteninformationen werden automatisiert verschickt. Ob die in den Computern der Deutschen Rentenversicherung gespeicherten Daten richtig sind, prüft kein Mensch. Im ersten Absatz beschreibt die Deutsche Rentenversicherung, welchen Zeitraum die Renteninformation umfasst.

verbrauchertipp: Entgeltmeldungen eines abgelaufenen Kalenderjahres sollten spätestens im Mai des laufenden Jahres in Ihrem Rentenkonto gespeichert sein. Erhalten Sie Ihre Renteninformation zu Beginn eines Jahres, kann dann das abgelaufene Kalenderjahr noch fehlen und die Informationen verzerren.

Ob die Datengrundlage für seine Renteninformation lückenlos und richtig gespeichert ist, kann Thorsten Grewert mit einem „Antrag auf Kontenklärung“ aufdecken. Wie man sich bei diesem Formularkrieg keine grauen Haare wachsen lässt und welche Unterlagen man genau vorlegen muss zur Kontenklärung, erfahren Sie in einem eigenen Artikel in der April-Ausgabe verbraucherblick.

*Name und Ort geändert

Cover der aktuellen Ausgabe von Verbraucherblick

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Dirk R. Schuchardt ist seit über 20 Jahren freier Dozent, Autor und Chefredakteur von Rentenfernsehen.de. „Altersvorsorge ist nichts anderes als ein Zwiegespräch mit seinem künftigen Ich!“, ist seine Maxime. In seinen Seminaren beweist er stets, dass das Thema Rente alles andere als langweilig ist.