15. August 2016

Das Grundbuch richtig lesen und verstehen

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Wer eine Immobilie kaufen will oder erbt, sollte einen Blick ins Grundbuch werfen. Denn dort stehen wichtige Hinweise zur Geschichte des Hauses. Man muss allerdings schon verstehen, was man sieht und liest. Das ist auch gar nicht so kompliziert, denn die Struktur des Grundbuchs ist grundsätzlich logisch. verbraucherblick erklärt, wie das Grundbuch aufgebaut ist, was drin steht und worauf Sie achten sollten.

Es ist August 2010 als Kristin Walter als Eigentümerin eines Grundstücks ins Grundbuch eingetragen wird. Sie hat zuvor bei einer Zwangsversteigerung des Amtsgerichts Luckenwalde das höchste Gebot für das Grundstück abgegeben. Jetzt, so sollte man meinen, hat alles seine Richtigkeit. Denn wer im Grundbuch steht, ist Eigentümer eines Grundstücks beziehungsweise einer Immobilie. Doch kaum ist Kristin Walter mit ihrer Familie 2012 ins neu gebaute Haus eingezogen, beginnt ein Albtraum. Der Vorbesitzer meldet sich aus dem Ausland. Er habe nichts von der Zwangsversteigerung gewusst. Das Landgericht Potsdam gibt dem Vorbesitzer 2014 Recht: Die Zwangsversteigerung wird aufgehoben. Der Streit vor Gericht um das Grundstück und das Haus geht weiter. Ein eher ungewöhnlicher Fall, bei dem der Eintrag ins Grundbuch offensichtlich nicht ausschlaggebend war.

Berechtigtes Interesse

In der Regel ist das anders: Wer eine Wohnung oder ein Haus kaufen möchte, muss immer zunächst einen Blick ins Grundbuch werfen. Denn nur dort sieht man, wer Eigentümer des Grundstücks oder der Immobilie ist. Außerdem kann man im Grundbuch die gesamte Geschichte eines Grundstücks oder einer Immobilie erkennen. Und man erfährt zusätzlich, ob darauf Lasten ruhen, die einem neuen Besitzer den Spaß am Eigentum vermiesen könnten. Allerdings gibt es dabei auch einen Haken: „Das Grundbuch ist kein öffentliches Register“, sagt Michael Beuger, auf Immobilienrecht spezialisierter Anwalt bei der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke in Köln. Einsicht erhält darum nur, wer ein sogenanntes berechtigtes Interesse am Grundstück und gegebenenfalls der Immobilie nachweisen kann. Ein berechtigtes Interesse haben zum Beispiel die Erben oder die potenziellen Käufer eines Grundstücks.

Kristin Walter hätte dieser Blick ins Grundbuch trotzdem nicht geholfen. Sie ging davon aus, dass bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks durch ein Amtsgericht alles seine Richtigkeit hat. Dass der Eigentümer im Ausland lebte und nie darüber informiert worden war, dass sein Grund und Boden zwangsversteigert wird, konnte sie nicht ahnen. Wer jedoch ein unbebautes oder bebautes Grundstück nicht ersteigert, sondern erbt oder kaufen möchte, der sollte auf jeden Fall versuchen, einen Blick ins Grundbuch zu werfen, bevor er weitere Schritte einleitet. Allerdings liegt es im Ermessen des betreffenden Rechtspflegers beim Grundbuchamt, ob man tatsächlich Einsicht bekommt oder nicht. „Insbesondere beim Kauf eines Grundstücks kann es vorkommen, dass der Rechtspfleger die Einsicht verweigert“, sagt Rechtsanwalt Beuger. Schließlich könne der Eigentümer, der verkaufen möchte, jederzeit Einblick ins Grundbuch nehmen und einen sogenannten Grundbuchauszug bekommen, den er dem potenziellen Käufer überlässt. Dann muss dieser also gar keinen Einblick ins Grundbuch bekommen. Bei Erben ist die Situation eine andere. Der Erbberechtigte soll dabei schließlich als neuer Eigentümer eingetragen werden.

Aufbau und Inhalt

Ob man nun eine Kopie vom Verkäufer bekommt oder Einblick beim Grundbuchamt erhält: Man muss schon verstehen, was man vor sich sieht. Das ist jedoch – zumindest was die Struktur anbelangt – recht einfach: „Das Grundbuch ist logisch aufgebaut“, sagt Michael Beuger. „Es besteht aus dem Bestandsverzeichnis und drei Abteilungen. Im Bestandsverzeichnis sind alle Informationen zu den Grundstücken enthalten, die in diesem Grundbuchblatt erfasst sind, also im Wesentlichen die Lage und die Größe“, erklärt der Immobilienrechtsexperte. Die jeweiligen Grundstücke haben laufende Nummern.

In den folgenden sogenannten Abteilungen geht es um die Eigentumsverhältnisse und die Belastungen. In Abteilung I steht der oder stehen die Eigentümer. Wer eine Immobilie kauft, sollte sehr genau schauen, ob die Angaben im Grundbuch zu den Angaben im Kaufvertrag passen: „Ist der Verkäufer tatsächlich der in Abteilung I eingetragene Eigentümer, und sind alle Grundstücksparzellen im Kaufvertrag aufgeführt, die man erwerben möchte? Gibt es eventuell mehrere Eigentümer und sind diese auch alle im Kaufvertrag aufgeführt?“, fragt Beuger. Ist das nicht so, kann dies zu Problemen bei der Abwicklung des Kaufvertrags führen – beispielsweise dann, wenn ein potenzieller Käufer nur mit einem Eigentümer über den Kauf und den Preis verhandelt, weitere Eigentümer damit aber gar nicht einverstanden sind. Würde mit nur einem der Eigentümer ein Kaufvertrag geschlossen, wäre dieser nichtig. Vorherige Eigentümer werden übrigens durchgestrichen.

In den Abteilungen II und III stehen die Belastungen. Dabei unterscheidet man zwischen Belastungen wie dem sogenannten Wegerecht oder dem Wohnrecht in Abteilung II und den in Abteilung III genannten finanziellen Belastungen wie einer Hypothek oder Grundschulden.

Belastungen in Abteilung II und III

Wegerecht, Wohnrecht, Leitungsrecht: Was in Abteilung II des Grundbuchs steht, wird in seiner Konsequenz häufig unterschätzt. Unter einem Wegerecht beispielsweise versteht man das Recht eines Nachbarn, das Grundstück regelmäßig überqueren zu dürfen, um zur eigenen Immobilie zu kommen. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Nachbar das nur zu Fuß oder auch mit dem Auto darf. Auch, wer gegebenenfalls für die Instandhaltung des Weges verantwortlich ist, muss geklärt sein. Was, wenn im Sommer das Gras darüber wächst oder sich im Winter meterhoch der Schnee darauf türmt? Was, wenn der Weg plötzlich Schlaglöcher bekommt? Wer ist dann verpflichtet, sich darum zu kümmern – der Grundstückseigentümer oder der Nutzer des Wegs?

Ist ein Wohnrecht eingetragen, so darf jemand in der Immobilie wohnen, selbst wenn diese verkauft wird. Ein lebenslanges Wohnrecht lassen sich beispielsweise häufig Eltern eintragen, die die Immobilie bereits zu Lebzeiten an ihre Kinder überschreiben, um Erbschaftssteuer zu sparen. Und noch ein Beispiel: Ist ein sogenanntes Leitungsrecht in Abteilung II zugunsten eines Energieversorgers eingetragen, muss man klären, wo sich die Leitungen im Boden befinden und ob durch sie zum Beispiel die Bebaubarkeit des Grundstückes behindert wird. „Gibt es solche Eintragungen, muss man klären, was sich dahinter verbirgt“, so Beuger. Im Grundbuch seien nur allgemeine Angaben über eine solche Belastung enthalten. Was diese jedoch konkret bedeuten, ergebe sich in der Regel nur aus den entsprechenden Vereinbarungen. „Die sollte man sich zeigen lassen, bevor man einen Kaufvertrag unterschreibt“, empfiehlt der Rechtsexperte.

In Abteilung III des Grundbuchs stehen Hypotheken sowie Grundschulden. Im Regelfall geht es hier also um das Darlehen, das der Vorbesitzer bei der Bank aufgenommen hatte, um die Immobilie kaufen zu können. „Grundschulden dienen also in der Regel zur Absicherung von Banken, die ein Darlehen zur Finanzierung gegeben haben“, sagt Michael Beuger. Wird die Immobilie verkauft, muss aus dem Erlös also zuerst die Grundschuld bezahlt werden. Ist der Kredit abgezahlt, hat die Bank demnach keine Ansprüche mehr, wird auch dies ins Grundbuch eingetragen. Im Amtsdeutsch heißt das: Die Eintragung wurde gelöscht. Auch hier gilt: „Alle unterstrichenen oder durchgestrichenen Eintragungen im Grundbuch sind gelöscht“, so Michael Beuger. „Sie gelten also heute nicht mehr.“

Grundsätzlich gilt bei den Belastungen, dass man sich diese ganz genau ansehen sollte, egal, ob es sich dabei um finanzielle Ansprüche handelt oder um ein Wege-, Wohn- oder Leitungsrecht. Schließlich übernimmt man diese Belastungen beim Kauf eines Grundstücks immer mit. Steht also beispielsweise noch eine Grundschuld im Grundbuch, die nicht gelöscht ist, müsste man diese als neuer Käufer zurückzahlen. Und kauft man eine Immobilie, für die ein Wohnrecht eingetragen ist, so kann man über diese erst dann komplett frei verfügen, wenn der Berechtigte ins Heim gezogen oder gestorben ist.


verbrauchertipp: Bevor Sie einen Immobilienkaufvertrag unterschreiben, sollten Sie sich die Grundbuchauszüge zeigen lassen. Prüfen Sie, ob der Verkäufer, mit dem Sie verhandeln, identisch ist mit dem eingetragenen Eigentümer. Und schauen Sie sich genau an, welche Belastungen im Grundbuch eingetragen sind. Achten Sie auch darauf, ob der Grundbuchauszug für das Grundstück nebst Immobilie gilt, um das es Ihnen geht. Falls Sie nicht verstehen, was im Grundbuch steht, sollten Sie sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen.


Wer als Käufer im Grundbuch stehen sollte

Ist das Grundbuch genau geprüft und sind sich Käufer und Verkäufer einig, steht der Vertragsunterschrift nichts mehr im Wege. Jetzt sollte der Käufer sich überlegen, wer genau als neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden soll. Grundsätzlich kann nur eingetragen werden, wer Eigentümer ist. Erbt also beispielsweise der verheiratete Sohn ein Haus, dann ist er Eigentümer, nicht aber seine Frau oder seine Kinder. Stirbt er also eines Tages, wird er die Immobilie an seine Ehepartnerin oder die Kinder vererben, wenn er nichts anderes testamentarisch verfügt hat. „Natürlich kann der erbende Sohn seiner Ehefrau sofort nachdem ihm das Erbe überschrieben wurde, einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück schenken“, so Beuger. Dann werden beide als Eigentümer eingetragen. Eventuell fallen dann allerdings Schenkungssteuern an. Für die Ehefrau hätte diese Eintragung aber durchaus Vorteile: Das Grundstück kann nicht mehr ohne ihre Zustimmung verkauft oder belastet werden, nachdem sie auch als Eigentümerin eingetragen wurde. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass der Sohn nicht mehr alleine über das Haus verfügen kann. Falls die beiden sich trennen sollten, könnte das zu Problemen führen.

Ähnlich verhält es sich, wenn eine Familie mit zwei Kindern auf einem gekauften Grundstück baut oder ein Haus kauft. „Theoretisch könnte man alle vier Familienmitglieder, also die Eltern und die Kinder, ins Grundbuch eintragen lassen“, so Michael Beuger. „Praktisch ist es aber so, dass die Sache kompliziert wird, wenn mehrere Eigentümer eingetragen sind.“ Dann beispielsweise, wenn ein Teil der Familie das Haus verkaufen möchte, der andere Teil nicht. Andererseits kann auf diesem Weg bei einem späteren Erbfall möglicherweise Erbschaftssteuer gespart werden, weil die Erbmasse für die Kinder kleiner ist, wenn sie bereits Miteigentümer der Immobilie und des Grundstücks sind.


verbrauchertipp: Es hat weitreichende Konsequenzen, wenn man im Grundbuch als Eigentümer steht – oder eben nicht steht. Informieren Sie sich als Paar beim Kauf einer Immobilie über die Vor- und Nachteile, die Sie haben, wenn beide oder nur einer ins Grundbuch eingetragen wird.


 Bei allen Überlegungen die Zukunft betreffend sollte eine Situation jedoch nie aus den Augen verloren werden: Es sollten grundsätzlich all jene als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen sein, die das entsprechende Darlehen zurückzahlen. „Sonst kann es zum Beispiel beim Tod eines Partners passieren, dass man zwar den Kredit weiter zurückzahlen muss, aber nicht erbt.“ Das könnte der Fall sein, wenn der Verstorbene das Haus jemand anderem per Testament vererbt hat. „Dann ist man das Grundstück los, hat aber die Schulden noch zu tragen“, warnt Beuger. Ähnlich verhält es sich im Falle einer Scheidung. Hat beispielsweise die Ehefrau ihr gesamtes Eigenkapital in die Immobilienfinanzierung eingebracht, sich aber nicht als Miteigentümerin ins Grundbuch eintragen lassen, dann hat sie im Falle einer Scheidung auch nur einen sehr begrenzten Anspruch auf die Immobilie. Im schlimmsten Fall ist ihr gesamtes Erspartes weg, und von der Immobilie bekommt sie auch nichts ab.

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