23. Januar 2018

Gefährliches Halbwissen

Neulich im Bus gab es Streit zwischen einer Frau und dem Fahrer. Der hatte sehr genau auf die vorgezeigte Fahrkarte geschaut und festgestellt, dass diese schon entwertet war. Er verlangte, sie solle für die Fahrt einen neuen Fahrausweis lösen. Da entbrannte ein Streit, denn die Passagierin glaubte, es besser zu wissen: „Ich kann die Fahrt unterbrechen, wo ich will und kann den Fahrschein immer bis zu 2 Stunden nutzen, egal wohin ich fahre. Das ist in allen Städten so und so steht´s im Gesetz!“ Steht´s eben nicht, dachte ich mir. Und der Fahrer kannte seine Tarifregelungen aus dem FF. Die Fahrt der Frau war für den Busfahrer beendet, sie durfte aussteigen und hat sich sicherlich bei den Verkehrsbetrieben beschwert. Wenn sie´s getan hat, ist sie inzwischen klüger.

Rechtsirrtümer oder gar Unwissen sind weit verbreitet. Letztlich kann die Enttäuschung groß sein und im schlimmsten Fall entstehen Ärger und hohe Kosten, wenn falsche Erwartungen entstehen. Da kommen Ratsuchende zur Verbraucherzentrale, die sich über eine Verkäuferin ärgern, weil die das gekaufte Kleid nicht zurücknehmen wollte, da wird eine Hotelreservierung storniert und – „welch´ eine Abzocke“ – eine Stornogebühr berechnet. Und immer wieder kommen Verbraucher und stellen klar, dass sie doch nichts schriftlich bestellt hätten, denn es gab doch „nur“ ein kurzes Telefonat. Und natürlich darf man alles widerrufen, zum Beispiel den unbedachten Kauf eines überteuerten Staubsaugers auf einer Verkaufsmesse.

Deshalb erläutern wir in der Beratung zunächst die Rechtslage. Die zu ermitteln, kostet meist viel Zeit. Aber nur so bewahren wir Verbraucher vor teuren Schritten mit Rechtsanwälten, Klagen und Beschwerden. Das Recht allein nutzt aber nicht viel. Es müssen Mittel aufgezeigt werden, wie eine Forderung durchgesetzt oder abgewehrt werden kann – beispielsweise mit einem korrekten Schriftsatz. „Man gut, dass ich bei Ihnen noch mal nachgefragt habe“, ist ein häufiger Satz am Ende eines Gespräches.

Ziemlich oft erleben Ratsuchende den Unterschied, ob sie sich allein mit einem Anbieter auseinandersetzen oder ob die Verbraucherzentrale ihre Möglichkeiten zu Streitbeilegung einsetzt. Zudem geht es nicht nur um das Einzelschicksal. Die Verbraucherzentralen tragen Hinweise und Beschwerden tausender Verbraucher zusammen. Das verbessert unter anderem die Qualität von Abmahnungen und Unterlassungsklagen gegen Anbieter. Der Weg zur Verbraucherzentrale ist also nicht nur für den Einzelnen von Nutzen.

verbraucherblick - Jürgen FischerDr. Jürgen Fischer ist seit August 2004 geschäftsführender Vorstand der Verbraucherzentrale Mecklenburg-Vorpommern mit Sitz in Rostock. Schwerpunkte des Juristen sind Mietrecht und Energie, speziell das Thema Heizkosten.

Mehr lesen Sie in verbraucherblick 01/2018.
[ Einzelheft 01/2018 kaufen: 5 € ] [ Jahresabo verbraucherblick: 12 Ausgaben für je 4,17 € ]

Buhl-Kunde mit laufendem Vertrag?
[ rabattiertes Jahresabo: 12 Ausgaben für je 1 € ]