22. Juni 2020

Lückenlos

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Ob Inlay, Implantat oder Zahnspange: Zahnbehandlungen können je nach Umfang schnell mehrere tausend Euro kosten. Und fast immer müssen gesetzlich Krankenversicherte einen Eigenanteil bezahlen, der ebenfalls durchaus im vierstelligen Bereich liegen kann. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass die Kassen ab Oktober 2020 höhere Festzuschüsse zahlen. Anbieter von Zahnzusatzversicherungen werben damit, dass sie Kosten übernehmen. Doch für wen lohnen sich solche Policen – und was gilt es, vor dem Abschluss zu beachten?

Wer schon einmal eine Zahnbehandlung hinter sich gebracht hat, weiß: Das tut nicht nur auf dem Behandlungsstuhl weh, sondern auch im Portemonnaie. Denn die Gesetzlichen Krankenkassen übernehmen zwar die Behandlungskosten der Regelversorgung, aber bereits bei einer Füllung oder einer Krone kann es dem Patienten passieren, dass er aus eigener Tasche zuzahlen muss. Schon kleinere Abweichungen vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, können einen ordentlichen Aufpreis bedeuten. Wer beispielsweise statt einer Brücke ein Zahnimplantat möchte, kann sich auf Kosten von 1000 oder 2000 Euro aus eigener Tasche einstellen. Wer als gesetzlich Versicherter eine sogenannte Zahnzusatzversicherung hat, bekommt diese Kosten meistens zumindest teilweise ersetzt.


Jeder Fünfte mit Zahnzusatzversicherung

Kein Wunder also, dass Zahnzusatzversicherungen gefragt sind. Allein 2018 wurden nach Angaben des Verbands der Privaten Krankenversicherung 343.000 neue Verträge abgeschlossen. Und insgesamt haben rund 16 Millionen Deutsche eine solche Police – also rund jeder Fünfte. Wer eine derartige Versicherung abschließen möchte, sollte zunächst überlegen, ob dies wirklich erforderlich ist. Die Verbraucherzentralen zählen sie jedenfalls nicht zu den dringend notwendigen Versicherungen. „Jeder Patient sollte sich zunächst einmal mit den Leistungen der Krankenkasse auseinandersetzen“, empfiehlt Julika Unger, Beraterin beim Referat Versicherungen der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Im Vorteil ist dabei, wer regelmäßig zum Zahnarzt geht und sein Bonusheft jährlich abstempeln lässt. Dabei gilt: Je weniger Lücken das Bonusheft hat, desto größer ist der Kostenanteil, den die gesetzliche Krankenkasse bei einer Zahnbehandlung übernimmt. „Hinzu kommt, dass einige Zahnzusatzversicherer die Leistungshöhe an der regelmäßigen Vorsorge orientieren“, betont die Versicherungsexpertin.


Bonusheft wird wichtiger

Da die Kassen ab Oktober 2020 höhere Festzuschüsse zahlen, lohnt sich das Führen des Bonushefts künftig mehr. Das zeigt folgendes Beispiel: Ist eine Krone erforderlich, setzt die Kasse für die sogenannte Regelversorgung mit einer Metallkrone 371,68 Euro an. Von diesem Betrag übernimmt sie bislang mit 185,84 Euro die Hälfte, ab Oktober sind es 223,01 Euro, also 37,17 Euro mehr. Wer fünf Jahre gestempelt hat, erhält künftig 241,89 Euro, bei Nachweis von 10 Jahren sind es 278,76 Euro. Der Eigenanteil des Patienten liegt dann also je nach Häufigkeit der Zahnarztbesuche bei 92,92 bis 148,67 Euro.

Entscheidet sich jemand jedoch für eine teure Vollkeramikkrone für 1200 Euro, muss er oder sie ab Oktober zwischen 976,99 und 921,24 Euro berappen. Deutlich teurer wird eine Zahnbehandlung also immer dann, wenn man eine Behandlung wünscht, die von der Regelversorgung abweicht. Wer also beispielsweise an einem Backenzahn eine Kunststofffüllung statt Amalgam wählt, muss die Mehrkosten dafür selber tragen – sofern er nicht gegen Amalgam als Material allergisch ist.

Auch wenn die Festzuschüsse nun höher ausfallen: Letztlich wirkt die Erhöhung lediglich wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn der Eigenanteil aufgrund der Wahl einer gleichartigen oder andersartigen Versorgung über die Regelversorgung hinaus nicht wesentlich sinkt. Daher rechnen die Verbraucherzentralen auch nicht mit einer Senkung der Versicherungsbeiträge: „Wir gehen davon aus, dass sich die höheren Festzuschüsse nicht merklich auf die Beitragskalkulation der Versicherer auswirken werden. Gerade bei leistungsstarken Tarifen ist der versicherte Eigenanteil deutlich höher als der Kassenanteil, der vor Kostenerstattung von der Leistung des Versicherers abgezogen wird. Dies wird auch nach Anhebung des Festzuschusses so bleiben“, so Unger.

Das übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung

▪ Zahnvorsorge: Vorsorgeuntersuchungen zweimal jährlich, Zahnsteinentfernung einmal jährlich, teilweise auch Zuschüsse zur professionellen Zahnreinigung
▪ Zahnfüllungen: im Frontzahnbereich Kunststoff- und im Seitenzahnbereich Amalgam-Füllungen (bei Amalgam-Allergie: Kunststoff)
▪ Wurzelbehandlungen: sofern der Zahn als erhaltungswürdig eingestuft wird
▪ Parodontitis: Behandlungskosten, Zahnsteinentfernung (einmal jährlich, sonst kostenpflichtig), Früherkennung alle 2 Jahre
▪ Kieferorthopädische Behandlung: 80 Prozent der Kosten bei Kindern (bis 18 Jahre) mit Behandlungsgrad 3 bis 5; Eltern zahlen 20 Prozent Eigenanteil, der nach erfolgreicher Behandlung von der Kasse erstattet wird.
▪ Zahnersatz: Ab Oktober 2020 erhöht sich der Festzuschuss für die Regelversorgung von 50 auf 60 Prozent. Nach 5 Jahren lückenloser Vorsorge (Nachweis über das Bonusheft), gibt es 70 statt 60 Prozent. Wer 10 Jahre dokumentieren kann, erhält künftig 75 statt 65 Prozent
▪ Härtefälle: volle Kostenübernahme im Härtefall – also bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von weniger als 1274 Euro bei Alleinstehenden; 1751,75 Euro mit einem Angehörigen plus 318,50 Euro für jeden weiteren Angehörigen.

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)


Extras lieber versichern

Die Kassen lassen Zahnpatienten mit den Kosten für Zahnbehandlungen also keineswegs ganz allein. Doch wer beispielsweise auf optisch ansprechende Zähne Wert legt und eher dazu neigt, eine höherpreisige Variante der Zahnbehandlung zu wählen, muss auch schon bei kleineren Maßnahmen recht tief in die Tasche greifen. „Wer Geld für eine Zusatzversicherung übrig hat und Sonderleistungen beim Zahnarzt wie etwa ein anderes Material oder besonderen Komfort wünscht, kann entweder Geld zurücklegen oder eine Zahnzusatzversicherung abschließen“, erläutert Unger. „Wie hoch die Kosten für die Versicherung sind, lässt sich pauschal nicht beziffern, denn sie hängen davon ab, wie alt der Versicherte ist und wie hoch der Kostenanteil ist, den der Versicherer bei einer Behandlung übernimmt. Außerdem kommt es darauf an, ob beispielsweise Zähne fehlen beziehungsweise noch nicht mit Zahnersatz versorgt worden sind. Denn Versicherer können entsprechende Risikozuschläge verlangen oder aber auch Risiken vom Versicherungsschutz ganz ausschließen.“

Je jünger, desto einfacher der Abschluss

Ähnlich wie bei einer Berufsunfähigkeitsversicherung ergibt der Abschluss einer Zahnzusatzversicherung in jüngeren Jahren Sinn. Denn je jünger der Antragsteller ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass er noch keine größeren Probleme mit den Zähnen hat. Und zu diesen müssen in der Regel vor Abschluss der Versicherung genaue Angaben gemacht werden. Und für alle Schäden, die bereits vorhanden sind, zahlen die Versicherer die Behandlungskosten in der Regel nicht. Stiftung Warentest empfiehlt den Abschluss mit Mitte 30, Anfang 40, da Zahnersatz danach statistisch gesehen häufiger erforderlich wird.

Die Tarife der Anbieter unterscheiden sich in puncto Kosten und Umfang der Kostenübernahme erheblich, ein Vergleich lohnt sich also. So kostet die Police für einen 30-Jährigen ohne Vorschäden an den Zähnen zwischen 12,60 Euro und 56,64 Euro monatlich. Der Grund für die massive Differenz: Die Kostenübernahme bei den Tarifen fällt unterschiedlich hoch aus. Zum Beispiel deckt ein Tarif für wenige Euro im Monat häufig nur einen Teil der Behandlungskosten ab, während bei einem teureren Tarif von 25 Euro monatlich und mehr für gewöhnlich mindestens 90 Prozent der Kosten übernommen werden. Üblich ist auch eine Staffelung in eine Anfangsphase mit niedrigerer Kostenübernahme und einer höheren Kostenbeteiligung in den Folgejahren. Hinzu kommt, dass die Versicherer bei den Tarifen auch unterschiedlich lange Zeiträume zugrunde legen, die zwischen Abschluss der Versicherung und Beginn des Versicherungsschutzes liegen. Es gibt zwar Anbieter, die auf eine Wartezeit verzichten, üblich sind jedoch 3 bis 8 Monate.


Wartezeit

Tritt der Versicherungsfall während der Wartezeit ein, zahlt die Versicherung in der Regel nicht, wenn die Behandlung sofort gestartet wird. Versicherte sollten in diesem Fall zunächst ihre Police und die Fristen prüfen und dann alles mit dem Zahnarzt besprechen. Vielleicht wäre ein Aufschub der Behandlung vertretbar? Wenn ja, ist es sinnvoll, die Behandlung aufzuschieben. Bereits laufende Behandlungen bleiben beim Versicherungsschutz üblicherweise außen vor. Eine Ausnahme bietet die ERGO an. Allerdings übernimmt die Versicherung lediglich den doppelten Festzuschuss für die Regelversorgung. Wer eine höherpreisige Behandlung wählt, muss den Aufpreis dafür selber zahlen. Von solchen Produkten raten Verbraucherschützer eher ab. Besser sind Policen, die auch über die Regelversorgung hinausgehende Kosten übernehmen.

verbrauchertipp: Sie sind unsicher, welchen Anbieter für eine Zahnzusatzversicherung Sie wählen sollen? Die Stiftung Warentest hat 249 Angebote untersucht und 88 von ihnen mit „Sehr gut“ bewertet. Die Auswertung können Sie gegen 4 Euro Entgelt herunterladen.

Wer zum Beispiel wegen nächtlichen Zähneknirschens eine Aufbiss-Schiene erhält, befindet sich nach wie vor in Behandlung. Denn nicht das Anpassen der Schiene gilt als beendete Behandlung, sondern der Vermerk in der Patientenakte, dass diese nicht mehr benötigt wird. Auch eine Behandlung, die noch gar nicht begonnen wurde, zählen die Versicherer möglicherweise dazu. Wer etwa infolge einer Krebserkrankung mit einer zahnschädigenden Strahlentherapie behandelt wurde, muss damit rechnen, dass die Kosten für späteren Zahnersatz nicht übernommen werden – auch, wenn die eigentliche Behandlung noch gar nicht begonnen wurde. Wer unsicher ist, welche Behandlungen er bereits durchlaufen hat, sollte bei seinem Zahnarzt sicherheitshalber nachfragen.

verbrauchertipp: Ziehen Sie einen unabhängigen Versicherungsmakler hinzu, wenn Sie sich unsicher sind, ob eine andere medizinische Behandlung von der Versicherung als Zahnbehandlung gewertet werden könnte. Wie die Stiftung Warentest rät, können behördlich geprüfte Versicherungsberater anonym unverbindliche Voranfragen bei Versicherungen starten.

Der Versicherungsumfang unterscheidet sich auch hinsichtlich der Kostenübernahme für die Zahnprophylaxe. Einige Tarife übernehmen beispielsweise die Kosten für die professionelle Zahnreinigung, die im Schnitt mit rund 100 Euro zu Buche schlägt. Allerdings schreiben einige Versicherer vor, dass diese bei Vertragszahnärzten durchgeführt wird.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Tarifberechnung. Bei Tarifen mit Altersrückstellungen zahlen Versicherte durchweg etwas höhere Beiträge, die aber über die Jahre nur geringfügig teurer werden. Der Grund dafür ist, dass die Anbieter einen Teil der Versicherungsprämien zurücklegen, um den späteren Tarifanstieg zu vermeiden. Tarife ohne Altersrückstellungen sind hingegen anfangs preiswerter und werden über die Jahre teurer. So ist die preiswerteste Police für den bereits genannten Beispielfall mit 24,84 Euro etwa doppelt so teuer wie das preiswerteste Angebot ohne Altersrückstellungen. „Die Beitragshöhe der Police ist allerdings nur ein Bereich, den Patienten genau unter die Lupe nehmen sollten“, so Unger. Sehr unterschiedlich sind auch die Leistungshöhen bei verschiedenem Zahnersatz. Ein Eigenanteil von 10 Prozent der Mehrkosten bleibt fast immer.


Keine Familientarife

Eine Zahnzusatzversicherung gilt immer nur für eine Person, eine Familienversicherung ist also nicht möglich. Es gibt auch Policen für Kinder, die Eltern wegen möglicher hoher Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung abschließen. Die Verbraucherzentralen empfehlen den Abschluss allerdings nur, wenn diese Kosten zu einemn finanziellen Desaster führen würden. Hierzu käme es nur, wenn Eltern für ihr Kind eine kostspieligere Variante wählen. „Denn für Kinder unter 18 Jahren übernehmen die Krankenkassen die kompletten Kosten. Allerdings müssen Eltern zunächst einen Eigenanteil vorstrecken, der jedoch nach Abschluss der Behandlung zurückerstattet wird“, erläutert die Verbraucherschützerin. Übrigens bieten auch gesetzliche Krankenkassen Zahnzusatzversicherungen an, es ist daher sinnvoll, das Angebot mit anderen Tarifen zu vergleichen. Und zu guter letzt ein simpler Spartrick: Bei jährlicher statt monatlicher Zahlungsweise sind die Beiträge bei gleichem Versicherungsumfang vielfach um 3 bis 5 Prozent niedriger.

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Kostenfalle Zahn (Verbraucherzentralen)

Individuelle Auswertung (Stiftung Warentest, Kosten: 7,50 Euro)

Waizmanntabelle (kostenlose Online-Datenbank Zahnversicherung)

 

Mehr lesen Sie in verbraucherblick 06/2020.

 

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Claudia Lindenberg ist seit 1998 als Journalistin mit Schwerpunkt auf Finanzthemen tätig. Die studierte Volkswirtin arbeitet seit 2016 als freie Finanzjournalistin und hat sich auf die Themen Immobilien und Immobilienfinanzierung, Versicherungen sowie Geldanlage und Investmentfonds spezialisiert.