12. Januar 2022

Verbraucherverträge 2.0 mit mehr Rechtssicherheit

Und wieder ein neuer Serienkracher! Nun muss das Abo beim Streamingdienst wirklich her. Fix abgeschlossen und ab aufs Sofa, dem zügellosen Filmgenuss frönen oder beim Fußballereignis des Jahres mitfiebern. Doch dann: Störung beim Streamingdienst. Funktionieren der bezahlte Streamingdienst, das E-Book oder die App nicht richtig, können sich Verbraucherinnen und Verbraucher nun auf gesetzlich geregelte Gewährleistungsrechte berufen.

Der enttäuschte Serienfan kann also entscheiden, ob er eine Nachbesserung verlangen, den Abopreis mindern oder gar seinen Vertrag beenden will. Auch wenn das Smartphone, das Navi-Gerät oder die Smartwatch streiken, hat der Käufer ein Recht auf Gewährleistung. Und sogar noch mehr: Erstmals hat der Käufer das Recht auf kontinuierliche Updates.

Da trifft es sich gut, dass zum 1. Januar die Beweislastumkehr für Mängel generell von einem halben auf ein Jahr verlängert wurde. Zwei Jahre wären drin gewesen, die EU-Gesetzgebung hätte dies zugelassen. Schade, denn für Verbraucher ist es nach Ablauf des einen Jahres fast unmöglich zu beweisen, dass sie eine Ware wie vorgeschrieben behandelt haben und der Sachmangel schon vor dem Kauf vorlag. An welchen Experten können sie sich denn für ein Gutachten wenden, wenn die neue Smartwatch oder Software nicht einwandfrei funktioniert? Immerhin: Erstmals wurden überhaupt eigene Gewährleistungsrechte für digitale Produkte festgelegt. Und ist der Frust über den digital abgeschlossenen Vertrag zu groß, kann der Kunde spätestens ab 1. Juli 2022 über einen Kündigungsbutton auf der Webseite die Reißleine ziehen.

Die neuen Regelungen heben Verträge über digitale Produkte auf eine neue rechtliche Grundlage. Dies gilt umso mehr für vermeintlich „kostenlose“ Dienste wie soziale Netzwerke und Gratis-Apps. Damit erkennt der Gesetzgeber an, dass digitale Produkte nicht nur mit Geld, sondern auch mit personenbezogenen Daten bezahlt werden. All diese Anpassungen des Vertragsrechtes an die heutige, zunehmend digitale Lebenswelt der Verbraucher sind positiv, wenn auch längst überfällig. Der Gesetzgeber wird sich auch künftig sputen müssen, um mit den an Tempo gewinnenden Möglichkeiten auf dem digitalen Markt Schritt zu halten. 

 

Ralf Reichertz ist Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Thüringen. Dabei engagiert er sich unter anderem für die Verbraucheraufklärung in den Bereichen Digitales und Datenschutz.