11. April 2016

So klären Sie Ihr Rentenkonto

© goodluz/Shutterstock.com
Wissen Sie, was Sie gestern zum Mittag gegessen haben? Nein? Wie schwer muss Ihnen dann erst die Antwort fallen, wenn die Deutsche Rentenversicherung Sie eines Tages fragt, wo Sie vor 40 Jahren gearbeitet haben? Und noch viel wichtiger: Wo haben Sie die Belege dafür? verbraucherblick zeigt, wie Sie Ihr Rentenkonto klären.

Bislang hat Thorsten Grewert keinen Gedanken an seine spätere Rente verschwendet. Schließlich hat es noch viel Zeit, bis am 1. August 2044 die erste Rentenzahlung auf seinem Girokonto überwiesen wird. Doch seit seiner vorherigen Renteninformation ist er nicht mehr so sicher, ob wirklich alle seine Daten in den Computern der Deutschen Rentenversicherung angekommen sind. Er will mit einem Antrag auf Kontenklärung einen prüfenden Blick auf seine Rentendaten werfen lassen. Tatsächlich sind die Angaben bei den meisten Rentenversichertenrichtig erfasst. Mit der Meldung zur Sozialversicherung für das abgelaufene Kalenderjahr sollte eigentlich alles seine Ordnung haben. Doch Zeiten mit Schulbesuch, Studium oder Kindererziehung werden nicht automatisch gemeldet.

Anfordern und Prüfen

Hier müssen Versicherte wie Thorsten Grewert und seine Ehefrau Lisa selber aktiv werden. Denn schließlich geht es darum, die gemeinsame Altersvorsorge des Ehepaares zu prüfen. Damit die Grewerts bei ihrer Rente klar sehen, müssen Sie folgende Schritte gehen:

  1. Schritt

Die Grewerts fordern von ihren Rentenversicherungsträgern einen Versicherungsverlauf mit Anträgen zur Kontenklärung an. Die Anschrift finden sie im Schreiben der vorherigen Renteninformation, die sie von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erhalten haben.

verbrauchertipp: Wenn Sie nicht wissen, wer Ihr Rentenversicherungsträger ist, rufen Sie bei der kostenlosen Hotline der Deutschen Rentenversicherung an (0800 1000 480 70) oder schreiben Sie an: Deutsche Rentenversicherung Bund in 10704 Berlin. Ihre Anfrage wird an den zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet.


Deutsche Rentenversicherung

Seit der Organisationsreform vom Oktober 2005 haben die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Landesversicherungsanstalten (LVA) und alle anderen Rentenversicherungsträger neue Bezeichnungen erhalten. Sie heißen nun mit „Vornamen“: Deutsche Rentenversicherung (kurz DRV). Aus dem „Nachnamen“ erkennt man, ob man es mit einem Bundesträger (Bund oder Knappschaft-Bahn-See) oder einem Regionalträger (zum Beispiel Rheinland oder Mitteldeutschland) zu tun hat. Für Beratung und Antragsaufnahme spielt es aber keine Rolle, welchen Rentenversicherungsträger man aufsucht. Man kann sich also als Versicherter bei der DRV Rheinland auch von der DRV Mitteldeutschland beraten lassen.


  1. Schritt

Nach wenigen Tagen ist der Versicherungsverlauf von Thorsten Grewert im Briefkasten, kurz darauf der seiner Ehefrau. Beide prüfen ihre Verläufe zu Hause Zeile für Zeile auf Vollständigkeit. Diese Arbeit kann ihnen keiner abnehmen – schließlich sind sie selbst die Experten in eigener Angelegenheit und wissen, ob und wo sie gearbeitet haben. Für die Lücken, die sie bei der Überprüfung feststellen, suchen sie die Belege in ihren Unterlagen.

verbrauchertipp: Legen Sie der DRV Beweismittel nur als Originale oder in Form amtlich bestätigter Fotokopien vor. Einfache Fotokopien ohne behördliche Stempel werden nicht akzeptiert. Amtliche Bestätigungen erhalten Sie kostenlos für Rentenzwecke von der DRV, Ihrer Krankenkasse oder der Stadtverwaltung. Unwiederbringliche Originale sollten Sie nicht per Post an die DRV verschicken, da diese in der Massenverwaltung schon mal verloren gehen können.

  1. Schritt

Nachdem Lisa und Thorsten Grewert ihre Versicherungsverläufe geprüft und die fehlenden Unterlagen aus ihren Ordner zusammengetragen haben, vereinbaren die beiden einen kostenlosen Beratungstermin mit der Deutschen Rentenversicherung – entweder telefonisch oder über die Internetseite www.deutsche-rentenversicherung.de

verbrauchertipp: Bringen Sie Ihren gültigen Personalausweis zum Beratungstermin mit. Wenn Sie sich für Ehegatten, Kinder oder Freunde beraten lassen oder Anträge stellen, denken Sie an die Vollmacht und deren Ausweis. Wer nicht in Deutschland geboren oder keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sollte seine Geburtsurkunde (bei Geburten in der Türkei: Nüfus-Bescheinigung) mitbringen. Dadurch werden Personenstandsdaten bestätigt und das spätere Rentenverfahren beschleunigt.


Sonderfall Schwerbehinderung

Wer schwerbehindert ist (50 Prozent und mehr), sollte den Schwerbehindertenausweis zum Beratungsgespräch mitbringen. Für schwerbehinderte Menschen kann es Besonderheiten bei den Altersrenten geben, über die man sich frühzeitig informieren sollte.

Seien Sie als Schwerbehinderter vorsichtig mit einem sogenannten Verschlimmerungsantrag. Sie sollten sich hierbei sehr sicher sein, dass Sie wirklich mehr Prozente beziehungsweise einen höheren Grad an Behinderung zugesprochen bekommen. Bei diesem Antrag, der meist im Zusammenhang der behördlichen Feststellung einer Behinderung (§ 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX) eingesetzt wird, besteht die Gefahr der Verschlimmbesserung. Beispiel: Sie sind zu 50 Prozent behindert, wollen 80 Prozent feststellen lassen und bekommen aber schließlich nur 40 Prozent zugesprochen.


Typische Lücken

Es gibt einige typische Lebensabschnitte und Umstände, in denen leicht Lücken im Versicherungslauf entstehen können:

Schule und Studium

Bei vielen Versicherten fängt das Versicherungsleben mit der Lehre oder der Schulzeit an. Während bei einer Berufsausbildung das Lebensalter keine Rolle spielt, werden Schulzeiten erst ab dem 17. Geburtstag gespeichert. Wer studiert hat, muss Nachweise vorlegen, aus denen Beginn und Ende des Studiums (Immatrikulationsbescheinigung und Prüfungsnachweis) hervorgehen. Auch wer sein Studium abgebrochen hat, bekommt diese Zeit für das Rentenkonto gutgeschrieben. Maximal werden 96 Monate (acht Jahre) Schul- und Studienzeiten ausschließlich für die Wartezeit von 35 Jahren angerechnet. Diese Ausbildungszeiten zählen aber bei der abschlagsfreien Regelaltersrente mit 65 plus x Jahre und bei der abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit 63 plus x Jahre nicht mit.

Wer seine Lehre vor 1991 angefangen hat, wird diese Zeit meist nur als „Pflichtbeiträge“ im Versicherungsverlauf vorfinden. Wer den Rentenzuschlag für Lehrzeiten nicht verschenken will, sollte darauf achten, dass die Ausbildungszeit als „Pflichtbeiträge berufliche Ausbildung“ gekennzeichnet wird. Als Nachweise dienen Lehrvertrag und Gesellenbrief, Kaufmannsgehilfenbrief oder vergleichbare Bescheinigungen der Prüfungsbehörde.

verbrauchertipp: Können Sie einen Nachweis über Ihre Berufsausbildung nicht finden, wenden Sie sich an die zuständige IHK oder Handwerkskammer. Dort finden sich auch heute noch Unterlagen über Ihre Lehrzeit in der Lehrlingsrolle, wenn Sie zur Abschlussprüfung angetreten sind. Keine Angst: Ob die Prüfung erfolgreich war oder nicht, spielt keine Rolle.

Kindererziehung

Kindererziehende wie Lisa Grewert mit ihren beiden Kindern Fritz und Greta sind rentenversicherungspflichtig. Damit die Kinder im Versicherungskonto gespeichert werden können, muss Lisa die Geburtsurkunde der Kinder vorlegen. Hier sollten auch die gesetzlichen Schutzfristen (sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt) mit verzeichnet werden. Väter, die Elterngeld beziehen, sind deswegen übrigens nicht automatisch rentenversichert. Daher sollten diese Väter zu Beginn ihrer Elternzeit sich von der Deutschen Rentenversicherung beraten lassen (Stichwort: „Gemeinsame Erklärung“).


Elterngeld: Väter müssen Rentenlücke verhindern

Immer mehr Väter nehmen Elternzeit. Die Mehrheit ist nur zwei Monate abwesend vom Arbeitsplatz und meint, weiterhin rentenversichert zu sein. Das ist falsch. Anders als beim Kranken- oder Arbeitslosengeld wird die Rentenversicherungspflicht nicht durch den Bezug von Elterngeld ausgelöst, sondern durch den – im Fachjargon – „Tatbestand der Erziehung“. Das bedeutet: Derjenige, der das Kind überwiegend erzieht, ist automatisch rentenversichert. Das Gesetz (§ 56 Abs. 2 SGB VI) entscheidet bei gleichzeitiger Erziehung zugunsten der Mutter. Der Vater handelt sich eine Rentenlücke ein. Um das zu verhindern, muss er sich mit der Mutter im Rahmen einer „Gemeinsamen Erklärung“ einigen (Vordruck V 820 der Deutschen Rentenversicherung).


verbrauchertipp: Wenn Sie keine Geburtsurkunde oder das Familienbuch zur Hand haben, erhalten Sie diese für Zwecke der Sozialversicherung kostenlos vom Standesamt.

Lohnersatzleistungen

Normalerweise werden Zeiträume mit Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld automatisch an die Deutsche Rentenversicherung gemeldet. Fehlt dieser Eintrag, so muss der Leistungsnachweis (der Bewilligungsbescheid reicht nicht) vorgelegt werden. Wer die Belege nicht mehr hat, riskiert eine Rentenlücke. Die Agentur für Arbeit vernichtet beispielsweise ihre Akten fünf Jahre nach Ende des Leistungsbezugs. Gut, wer zeitnah prüft, ob die Meldungen auch in den Computern der Deutschen Rentenversicherung angekommen sind.

Entgeltbescheinigungen

Fehlen Arbeitsjahre in einem Versicherungsverlauf, so beweisen die Meldungen zur Sozialversicherung, dass Rentenbeiträge abgeführt wurden. Diese sind heute in DIN-A4-Format. Früher gab es Nachweise im DIN-A6-Format (Sozialversicherungsnachweisheft mit Seiten so dünn wie Butterbrotpapier zum raustrennen) und vor 1972 im DIN-A5-Format (Versicherungskarte). Sind die Nachweise nicht mehr vorhanden, so kann die gesetzliche Krankenkasse mit ihren Archiven der Rettungsanker sein. Aber Achtung: Die Krankenkassen vernichten in der Regel ihre Unterlagen nach 30 Jahren. Beschäftigungen in der DDR: Wer in der DDR gearbeitet hat, besitzt meist noch das Sozialversicherungsbuch (grün oder gelb), welches als Nachweis dient.

verbrauchertipp: Eine persönliche Vorsprache bei Ihrer damaligen Krankenkasse ist im Zweifel erfolgversprechender als eine schriftliche Nachfrage durch die DRV.

Beratung vor Ort

Die Eheleute Grewert füllen die mit dem Versicherungsverlauf übersandten Papierformulare (Vordrucke mit Nummern wie zum Beispiel V100, V410, V800) nicht selber aus. Denn die Berater der Deutschen Rentenversicherung haben Computerprogramme, die ihnen das lästige Ausfüllen per Hand abnehmen. Außerdem können die Mitarbeiter schon während des Beratungsgesprächs die Rentenfragen der Grewerts beantworten.

verbrauchertipp: Bestehen Sie unbedingt auf einer Rentenauskunft (nicht zu verwechseln mit einer Renteninformation) und lassen Sie dies im Formular vermerken. Andernfalls erhalten Sie als Produkt Ihres Antrags im besten Fall nur eine Wartezeitauskunft (ohne Auskunft über die Höhe der Rente).

Thorsten Grewert war ganz überrascht davon, wie unkompliziert sein Besuch bei der Deutschen Rentenversicherung über die Bühne gegangen ist. „Ganz anders als beim Finanzamt“, stellt er erleichtert fest. Das liegt unter anderem daran, dass die Deutsche Rentenversicherung – anders als das Finanzamt – per Gesetz (§ 14 SGB I) auch einen Beratungsauftrag hat.

verbrauchertipp: Auch wenn Sie keinen Anlass haben, vereinbaren Sie einen Beratungstermin bei der Deutschen Rentenversicherung, um einen prüfenden Blick auf den Versicherungsverlauf zu werfen. Nicht immer bekommt man Rechtsänderungen mit, daher ist es gut, wenn man mit der DRV in Kontakt bleibt.

Die Anträge auf Kontenklärung der Familie Grewert wurden anschließend in der Sachbearbeitung genau geprüft und gingen ohne Rückfragen glatt durch. Wenige Wochen später konnten sie ihre Rentenauskünfte zu ihren Unterlagen nehmen. Die Rentenauskünfte dienen den Eheleuten dazu, ihre gesamte Risikoabsicherung (Erwerbsminderung und Tod) und Altersvorsorge auf den Prüfstand zu stellen. Erste Erkenntnis: Die gesetzlichen Absicherungen werden nicht ausreichen. Die Grewerts werden sich zusätzlich absichern müssen. Da sie noch relativ jung sind, haben sie noch Zeit, sich um die private Vorsorge zu kümmern.

Cover der aktuellen Ausgabe von Verbraucherblick

Mehr wissen,
besser entscheiden

verbraucherblick ist ein digitales Magazin für alle, die mehr wissen wollen. Lesen Sie monatlich detaillierte und unabhängige Berichte über für Sie relevante Verbraucherthemen.