19. September 2016

So gelingt die berufliche Gründung

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Ohne gute Idee haben Gründer keine Chance. Außerdem  braucht man ein gutes, durchdachtes Konzept. Das zu entwickeln, kann manchmal Jahre dauern. Geduld ist also eine Gründertugend. Günter Faltin, Professor für Entrepreneurship an der Freien Universität Berlin und Gründer der „Teekampagne“, weiß das aus eigener Erfahrung.

verbraucherblick: Herr Faltin, wie sind Sie als Hochschullehrer auf die Idee gekommen, ein Unternehmen zu gründen?

Günter Faltin: Man ist als Hochschullehrer nicht überzeugend, wenn man nur Theorie kennt. Ich hatte mich über die hohen Teepreise geärgert und stellte mir die Frage: Warum ist Tee hierzulande so teuer? Damals hatte ich von Teehandel überhaupt keine Ahnung, also habe ich angefangen zu recherchieren. Und festgestellt, dass es die vielen Zwischenstationen sind, die den Preis in die Höhe treiben: Von der Plantage kommt der Tee auf eine Auktion, dann über einen Exporteur und einen Importeuer erst in den Großhandel, dann in den Einzelhandel – und dann erst zum Kunden. Also habe ich mich gefragt, ob das nicht auch anders geht, ob man den Tee nicht direkt importieren und dadurch deutlich günstiger anbieten kann.

verbraucherblick: Was haben Sie getan, um diese Idee in die Praxis umzusetzen?

Günter Faltin: Ich habe Informationen gesammelt und aufgrund dieser Informationen das Konzept immer weiterentwickelt. Gleich zu Beginn hat sich zum Beispiel herausgestellt, dass ich, wenn ich den Tee direkt importieren will, mehrere Tonnen einer Sorte abnehmen muss. Das kam mir erstmal absurd vor: Für einen Laden ist das viel zu viel, außerdem wollen die Kunden ja auch eine gewisse Auswahl. Nach und nach, über mehrere Jahre hinweg, entwickelte sich aus diesem anfänglichen Problem dann das Konzept der Teekampagne: Nur eine einzige Sorte Tee, die es nur in Großpackungen und nur im Direktversand gibt.

verbraucherblick: Gründer brauchen also einen langen Atem?

Günter Faltin: Auf jeden Fall. Damit, dass Sie durch den Wald gehen und einen Einfall haben, ist es nicht getan. Bei Immobilien heißt es „Lage, Lage, Lage“ – beim Entrepreneurship „Konzept, Konzept, Konzept“. Von der ersten Idee bis zu einem tragfähigen, durchdachten Konzept ist es ein weiter Weg, der Monate, manchmal Jahre dauert. Das wird immer wieder unterschätzt. Man muss recherchieren, verschiedene Elemente wie bei einem Puzzle zusammensetzen und das Potenzial der Idee ständig neu ausloten. Das kann auch dazu führen, dass man das Vorhaben am Ende doch wieder verwirft. Meinen Studenten rate ich deshalb, immer an mehreren Ideen gleichzeitig zu arbeiten.

verbraucherblick: Wie kommt man denn überhaupt auf eine innovative Idee?

Günter Faltin: Das ist gar nicht so schwer. Wenn Sie mit offenen Augen durch die Welt gehen, sehen Sie viele Bereiche, in denen es enormes Verbesserungspotential gibt. Wir verschwenden Ressourcen, produzieren und nutzen viele Produkte, die nicht intelligent und auch nicht nachhaltig sind. Um daran etwas zu ändern, müssen Sie kein Fachmann sein, im Gegenteil: Ein Blick von außen kann sogar sehr nützlich sein. Wenn Sie zu tief in einer Branche drinstecken, kommen Sie gar nicht darauf, dass man alles auch ganz anders machen könnte.

verbraucherblick: Welche Rolle spielt die Persönlichkeit des Gründers?

Günter Faltin: Wichtig ist, dass die Idee zum Gründer passt. Wenn Sie etwas nur tun, weil es gerade eine gute Gelegenheit zu sein scheint, halten Sie nicht lange durch. Gerade in den ersten Jahren wird Ihre Idee Sie rund um die Uhr beschäftigen. Sie müssen viel Zeit und Energie investieren, um Ihr „Ideenkind“ zum Laufen zu bringen. Das können Sie nur dann gut und mit ganzem Einsatz tun, wenn Sie voll hinter der Idee stehen. Sie müssen Probleme erkennen und kreative Lösungen entwickeln können, außerdem brauchen Sie Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen. Studien haben gezeigt, dass das für den Erfolg wichtiger ist als die Ausbildung oder der familiäre Hintergrund.

verbraucherblick: Sie sagen: Heute kann jeder ein Gründer sein. Ist es wirklich so einfach?

Günter Faltin: Das Feld ist heute deutlich zugänglicher als je zuvor. Früher brauchten Sie für eine Firmengründung viel Kapital, heute ist das Konzept wichtiger. Außerdem müssen Sie nicht mehr alles selbst machen, sondern können Dienstleistungen wie Buchhaltung oder Rechnungswesen bei externen Profis einkaufen. Das gibt Ihnen Freiheit und Flexibilität – und ist für viele ein Befreiungsschlag. Ich nenne das Gründen mit Komponenten. Vor allem Frauen profitieren davon.

verbraucherblick: Warum ist Gründen mit Komponenten gerade für Frauen eine Chance?

Günter Faltin: Frauen stehen oft vor der Herausforderung, Beziehung, Familie und Beruf unter einen Hut bekommen zu müssen. Wenn sie sich dann noch, bevor sie überhaupt loslegen, in Unternehmensrecht, Rechnungswesen und so weiter einarbeiten müssten, schreckt das viele von vorneherein ab, sie versuchen es erst gar nicht. Solche betriebswirtschaftlichen Teilbereiche zu delegieren, ist für viele Frauen die Voraussetzung dafür, dass sie überhaupt gründen und ihr Potential verwirklichen können und dabei ihre Stärken nutzen. Frauen sind in der Tendenz kooperativer und kommunikativer als Männer, das ist durchaus ein Vorteil beim Gründen. Männliche Gründer sind oft ein bisschen egoman, nicht selten sogar leicht größenwahnsinnig, nach dem Motto „Ich überziehe ganz Deutschland mit einer neuen Fitnesskette“. Frauen sind da bescheidener und realistischer. Klingt wie ein Klischee, ist aber tatsächlich oft so.

verbraucherblick: Sie waren über 40, als Sie die Teekampagne gegründet haben. Welche Rolle spielt das Alter beim Gründen?

Günter Faltin: Jedes Alter hat seine Vorteile. Wenn Sie jung sind, sind Sie oft unbefangener, mutiger, denken innovativer. Ältere Gründer bringen mehr Besonnenheit und Souveränität mit – und natürlich ihre Erfahrung. Sie lassen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, reagieren meistens gelassener auf Rückschläge und Probleme. Dabei spielt auch eine Rolle, dass sie oft finanziell besser abgesichert sind und sich bereits eine Existenz aufgebaut haben. Ich kann Ältere nur ermuntern, es zu wagen und ihre Idee zu verwirklichen, vielleicht auch erstmal parallel zu ihrem Job. Das minimiert das Risiko und nimmt so auch ein bisschen die Angst vorm Scheitern.

verbraucherblick: Wo finden Gründer Unterstützung?

Günter Faltin: Die besten Ratgeber sind andere Entrepreneure. Sie haben viele Erfahrungen schon gemacht und können bei typischen Problemen helfen. Die klassischen Existenzberatungen können auch hilfreich sein, aber oft sind die Berater dort konventionell und wirklich neuen Ideen gegenüber wenig aufgeschlossen. Wenn Sie Pech haben, schicken die Sie sofort wieder weg. Mein Tipp: Gehen Sie dorthin, wo andere Menschen sind, die in derselben Situation sind wie Sie, zu Veranstaltungen, Workshops, Tagungen. Dort können Sie wichtige Kontakte knüpfen und von dem Praxiswissen der anderen profitieren.

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