20. Januar 2017

Prospekthaftung bei Geldanlagen

© g-stockstudio/Shutterstock.com
Aktien, Fondsanteile und viele andere Formen der Vermögensanlage müssen mit einem Prospekt versehen sein. Dieser stellt die wichtigste Informationsquelle für Anleger dar und muss zuverlässig über die Risiken eines Produktes aufklären. Fehlt diese Auskunft, hat der Anleger in der Regel einen Anspruch auf Rückgabe des Produktes gegen Erstattung des Kaufpreises und der üblicherweise mit einem Erwerb verbundenen Kosten.

Die Europäische Union hat seit Ende der 1980er Jahre eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen erlassen, die Anleger davor schützen sollen, die Risiken einer Vermögensanlage zu unterschätzen. So wurde der „graue Kapitalmarkt“ immer kleiner, mehr und mehr Produkte wurden der Aufsicht der Behörden unterstellt und damit die Voraussetzungen für deren Vertrieb gesetzlich genau geregelt. Heute besteht für nahezu alle gängigen Anlageformen eine Prospektpflicht. Das betrifft zum einen Wertpapiere, Fondsanteile, aber auch Anteile an Treuhandvermögen, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen. Emittent und Anbieter solcher Vermögensanlagen müssen einen Prospekt erstellen. Dieser muss fehlerfrei und vollständig sein. Ist er dies nicht oder fehlt der Prospekt sogar vollkommen, hat der Anleger einen Anspruch darauf, die Anlage zurückzugeben. Der Kaufpreis muss erstattet werden ebenso wie die Kosten, die üblicherweise mit dem Erwerb verbunden sind.


Prominentes Beispiel: Deutsche Telekom

Eines der prominentesten Beispiele für einen fehlerhaften Verkaufsprospekt dürfte der dritte Börsengang der Deutschen Telekom sein. Auf Grundlage eines fehlerhaften Prospektes bot das Unternehmen 230 Millionen Aktien aus dem Bestand der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum Verkauf an. Im Jahr 2001 kam es nach erheblichen Kursverlusten zu zahlreichen Klagen: Der Prospekt hatte nach Ansicht der Kläger das Risiko eines Kursverlustes nicht hinreichend aufgezeigt. Ende November 2016 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Verschulden der Telekom für den Prospektfehler fest. In weiteren Verfahren muss nun geklärt werden, ob die Anleger die Aktien gerade wegen der fehlerhaften Angaben im Prospekt gekauft hatten.


Was ist ein Prospekt?

Ein Prospekt zeichnet sich dadurch aus, dass er von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigt wird. Sie prüft, ob ein Prospekt die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestangaben enthält. Nicht als Prospekt zählen damit Werbebroschüren oder sogenannte Beipackzettel, also Informationsblätter, auch wenn diese ebenfalls bei der BaFin hinterlegt werden. Doch ein fehlerhaftes Informationsblatt kann je nach Anlageform ebenfalls eine Haftung begründen – ob dies der Fall ist, hängt von der Anlageform ab. Das Kapitalanlagegesetzbuch, das unter anderem auf Fonds anwendbar ist, begründet für fehlerhafte Anlageinformationen eine ähnliche Haftung wie für fehlerhafte Prospekte.


verbrauchertipp: Ein Dokument wird erst dann zum Prospekt, wenn es von der BaFin als solcher genehmigt wurde. Bei Zweifeln hilft der Verbraucherservice der BaFin weiter, erreichbar unter: 0228 29970299.


Fehlerhafter und fehlender Prospekt

Ein Prospekt ist fehlerhaft, wenn wesentliche Angaben von den wirklichen Verhältnissen abweichen. Wesentliche Angaben sind zum einen Tatsachen, beispielsweise die Kursentwicklung im Vorjahr, aber auch Prognosen, die sich auf die Zukunft beziehen. Letztere müssen auf Tatsachen gestützt sein und kaufmännisch vertretbar sein. Die Frage, ob eine Angabe tatsächlich wesentlich ist, hängt stark vom Einzelfall ab. Fließen die Anlegergelder beispielsweise in den Aufbau eines dritten Unternehmens, muss das Geschäftsmodell dieses Unternehmens zutreffend dargestellt werden.

Relevant ist zudem, an wen sich der Prospekt richtet. Die meisten Anlageformen werden laut Bundesgerichthof für einen „durchschnittlichen, bilanzkundigen Anleger ohne überdurchschnittliches Fachwissen“ angeboten. Richtet sich eine Anlage aber ausdrücklich an das unkundige Publikum, wird der Maßstab entsprechend verschärft. Dann wird gar kein Fachwissen vorausgesetzt. Gleichzeitig gibt es auch Produkte, die sich an professionelle Anbieter richten. Ein Prospekt darf dann deutlich weniger Informationen enthalten.


Angaben Prospektangaben

Ein Prospekt muss je nach Anlageform eine Reihe von Angaben enthalten, damit er von der BaFin genehmigt wird. Wertpapierprospekte müssen unter anderem folgende Informationen enthalten:

Zum Emittenten

  • Allgemeine Angaben zur Gesellschaft, zum Beispiel Rechtsform, Gründungsdatum, Unternehmensgegenstand und Gesellschafter
  • Allgemeine Angaben zu den Geschäftsführungs- und Aufsichtsorganen, zum Beispiel Mitglieder der Organe, Bezüge, Interessenkonflikte, Corporate Governance
  • Geschäftstätigkeit des Emittenten
  • Beschreibung und Diskussion der historischen Finanzinformationen, sogenannte „Management Discussion and Analysis“, „Operating and Financial Review“
  • Getätigte, laufende und zukünftige Investitionen
  • Wesentliche Verträge
  • Abgeschlossene, laufende und drohende Rechtsstreitigkeiten
  • Geschäftskapital und Geschäftsaussichten
  • Kapitalisierung und Verschuldung
  • Geprüfte historische Finanzinformationen der letzten drei Geschäftsjahre sowie gegebenenfalls Zwischenfinanzinformationen

Zum Wertpapier

  • Allgemeine Angaben zu den Aktien, zum Beispiel ISIN/WKN, Währung, Beschränkungen der Übertragbarkeit, Dividendenrechte
  • Gründe für das Angebot
  • Verwendung des Emissionserlöses und Kosten der Emission
  • Bedingungen und Voraussetzungen des Angebotes

Außerdem müssen Risikofaktoren ohne Relativierungen beschrieben werden

Quelle: BaFin, „Der Wertpapierprospekt – Türöffner zum deutschen und europäischen Kapitalmarkt“


 Je nach Anlageform schreibt der Gesetzgeber vor, welche Angaben mindestens enthalten sein müssen. Die BaFin prüft anschließend diese Angaben und genehmigt den Prospekt. Dafür sind viele Informationen nötig wie beispielsweise der Anhang zur Europäischen Prospektverordnung auf 140 Seiten verdeutlicht. Allerdings können trotz Einhaltung der Mindestangaben und der Genehmigung durch die BaFin Angaben fehlen, die für den Anleger wesentlich sind. Ein Prospekt kann also fehlerhaft sein, selbst wenn er genehmigt wurde.

 Fehlt der Prospekt ganz, hat der Erwerber der Anlage ebenfalls einen Anspruch auf Rückgabe der Anlage gegen Erstattung des Kaufpreises inklusive weiterer Kosten. Hierzu zählt auch der Fall, dass ein Prospekt zwar nach den Vorschriften erstellt wurde, aber nicht von der BaFin genehmigt wurde. Ein Anleger kann sich jedoch dann nicht auf einen fehlerhaften oder fehlenden Prospekt berufen, wenn er die Unrichtigkeit des Prospektes kannte. Dann gilt er im juristischen Sinn als nicht schutzwürdig.

Einfach in der Theorie…

Idee der Prospekthaftung ist es, den Anspruch für den Anleger möglichst leicht durchsetzbar zu machen. Deswegen wird von Gerichten widerlegbar vermutet, dass der Anleger das Produkt ohne den Prospektfehler nicht erworben hätte. Das bedeutet, es ist nicht Aufgabe des Anlegers, diese Kausalität zu beweisen. Vielmehr muss der Klagegegner, also der Emittent oder Anbieter, beweisen, dass der Prospektfehler nicht ausschlaggebend für den Kauf war. Diese Vorgabe erleichtert ein Verfahren zwar, schützt aber keineswegs vor einem jahrelangen Rechtsstreit, wie das Beispiel zur Deutschen Telekom zeigt. 


verbrauchertipp: Vereinbarungen, durch die die Haftung ausgeschlossen oder beschränkt wird, sind unwirksam. Haben Sie also unterschrieben, dass der Vertragspartner nicht für fehlerhafte Prospekte haftet, hat das keine Auswirkung auf die Geltendmachung eines Anspruchs.


 …schwierig in der Praxis

Ziel der Gesetzgebung ist es nicht nur, den Anleger zu schützen. Sie will auch den Kapitalmarkt effizienter machen, indem Bürokratie abgebaut wird. Deshalb gibt es von der Prospektpflicht viele Ausnahmen: Wertpapiere mit einer Laufzeit von unter zwölf Monaten wie Optionsscheine und Derivate, sind von der Prospektpflicht ausgeschlossen. Und im Allgemeinen müssen Wertpapiere innerhalb einer sechsmonatigen Frist seit Ersteröffnung erworben worden sein, um sich auf einen fehlerhaften Prospekt berufen zu können. All dies muss bei einem Anwalt geklärt werden. Das Beispiel der Deutschen Telekom zeigt: Unternehmen wissen sich zu wehren, ein Rechtsstreit kann sich über Jahre hinziehen.


 verbrauchertipp: Informieren Sie sich, wann ein Wertpapier erstmals herausgeben wurde, bevor Sie wegen eines fehlerhaften Prospektes klagen wollen. Fand der Erwerb mehr als ein halbes Jahr nach der Erstausgabe statt, ist eine Klage aussichtslos.


 Falsche Anlageberatung

Unabhängig von der Prospekthaftung kann auch eine fehlerhafte Beratung durch die Bank eine Haftung auslösen. Berät ein Bankangestellter den Kunden über Vermögensanlagen, kommt zwischen beiden ein Beratungsvertrag zustande. Dieser muss nicht ausdrücklich abgeschlossen werden, sondern kann auch stillschweigend durch ein bloßes Beratungsgespräch zustande kommen. Die Aufklärung über Risiken muss richtig und vollständig, die Bewertung des Produktes vertretbar sein. Verletzt der Berater diese Pflichten, hat der Kunde Anspruch auf Schadensersatz.

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