19. Juli 2018

Nichts geht mehr

© Antonio Guillem/Shutterstock

Schlagartig bricht Dunkelheit über die Städte herein. Alles kommt zum Erliegen. Nichts geht mehr. Blackout. Was für technikmüde Menschen wie ein lang ersehnter Wunschtraum erscheinen mag – befreit von Telefonie, Internet und lärmenden Verkehr -, stellt moderne Gesellschaften, die zunehmend auf stromabhängige Technologien fokussiert sind und in der nahezu jede Infrastruktur direkt oder indirekt von dieser Energie abhängig ist, vor enorme Herausforderungen. Ohne elektrischen Strom kommt unser Leben schlagartig zum Stillstand. Was geht, wenn nichts mehr geht?

Besonders gravierend wären die Folgen eines großräumigen und flächendeckenden Stromausfalls für sämtliche Bereiche, die zwingend auf die Verfügbarkeit von Strom angewiesen sind, beispielsweise Verkehrssysteme, das Notfall- und Rettungswesen sowie staatliche Behörden. Bereits kurze Versorgungsausfälle können intensive Auswirkungen auf andere Infrastrukturen haben. Sollte der Strom für viele Stunden, Tage oder gar Wochen ausfallen, wären die Konsequenzen kaum zu bewerkstelligen. Alle kritischen Infrastrukturen, also jene Organisationen oder Einrichtungen, die eine besonders relevante Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen tragen, wären betroffen, zudem etwa Treibstoffversorgung, Trinkwasser, Telekommunikation und Informationstechnik, Gefahrenabwehr, Lebensmittelindustrie.

Vielfältige Ursachen

Laut Aussage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) können die Ursachen für ein solches Szenario sehr unterschiedlich sein. Eine Möglichkeit wären heftige Naturereignisse wie schwere Stürme und extreme Schnee- oder Regenfälle. Aber auch Tiefbauarbeiten, Verkehrsunfälle oder Pandemien könnten zu einem schwerwiegenden Stromausfall führen. Nicht zu vergessen ist die Gefahr durch gezielte Cyberangriffe, die in der vernetzten Welt schnell weitreichende Folgen mit sich bringen würden.

Versorgungsunterbrechung ist kein Blackout

Olaf Peter Eul von der Bundesnetzagentur (BNetzA) verweist auf Nachfrage von verbraucherblick zunächst darauf, dass ein Blackout grundsätzlich von einfachen Versorgungsunterbrechungen zu unterscheiden sei. Denn während sich Versorgungsunterbrechungen auf jegliche Ausfälle beim Endabnehmer bezögen und beispielsweise durch den Ausfall oder einen Schaden an einem Betriebsmittel erfolgen könnten, bezeichne ein Blackout einen langanhaltenden und großflächigen Stromausfall, bei dem kein Teilbereich des Netzes mehr existiert – was aber notwendig sei, um eben jenes wieder vollumfänglich aufzubauen.

Obwohl dieser Totalausfall Deutschland bisher nicht großflächig und langanhaltend eingetroffen ist, ist das Szenario eines Blackouts durchaus denkbar. Aktuellste Beispiele für relativ lange Stromausfälle:

  • 1978: Heftige Schneefälle und starker Wind verursachen mehrtägige Stromausfälle in Norddeutschland.
  • 2005: Im Münsterland waren 250.000 Personen von Stromausfällen betroffen und etwa 20.000 Haushalte mussten für mindestens fünf Tage ohne Strom ausharren.
  • Januar 2018: Während des verheerenden Sturmtiefs Friederike kommt es zu Versorgungsunterbrechungen in weiten Teilen Ostdeutschlands und in Nordrhein-Westfalen.

Auch wenn die damit verbundenen Versorgungsausfälle nicht in dem Sinne so großflächig und zeitlich so andauernd waren, dass sie ganze Bundesländer oder Regionen vollumfänglich lahmgelegt hätten, wurden die Gefahren, die ein möglicher Blackout verursachen könnte, doch deutlich erkennbar.

Sehr sichere Stromversorgung

Alle Stromnetzbetreiber in Deutschland sind der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA, gegenüber verpflichtet, alljährlich einen Bericht über die im Vorjahr in ihrem Netzgebiet aufgetretenen Versorgungsausfälle vorzulegen, die einen Zeitraum von mindestens drei Minuten umfassten. Auf Grundlage dieser Daten ermittelt die BNetzA den sogenannte System Average Interruption Duration Index, kurz SAIDI – gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Dieser spiegelt die Versorgungsunterbrechung pro angeschlossenem Endverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres wider und gilt somit als Indikator für die Zuverlässigkeit eines Energienetzes. Das Ergebnis: Bundesweit wurde für das Berichtsjahr 2016 ein SAIDI von 12,80 Minuten pro Endverbraucher festgestellt, Tendenz rückläufig.

Die Bundesnetzagentur – Energiewende und Verbrauchschutz
Die 1998 als Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post gegründete Bundesnetzagentur (BNetzA) erhielt im Jahr 2005 ihren heutigen Namen. Die Bundesbehörde mit Sitz in Bonn fungiert unter anderem als Wettbewerbsbehörde, welche die Öffnung der Netze für neue Anbieter reglementiert und einen offenen Wettbewerb gewährleistet. Insbesondere aber überwacht die BNetzA, ob die hohe Qualität der Stromversorgung hierzulande gesichert bleibt und die Realisierung der Energiewende gelingt.Wesentliche Ziele der Energiewende: Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch soll bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent liegen. Das letzte Kernkraftwerk soll im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Weitere Ziele sind die Reduzierung von Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020, gemessen am Wert von 1990, und die Verringerung des Primärenergieverbrauchs um 50 Prozent bis 2050 (gegenüber 2008). Für die Umsetzung der genannten Ziele ist der Ausbau und die Modernisierung des Stromnetzes zwingend erforderlich.

Im europäischen Vergleich  liegt Deutschland damit in der Spitzengruppe derjenigen Länder, die eine besonders hohe Versorgungssicherheit aufweisen. Im Nachbarland Frankreich etwa mussten die Bürger in der vergangenen Dekade durchschnittlich rund 61 Minuten pro Jahr ohne Strom auskommen. Die Bürger in Deutschland hingegen nur 16 Minuten.

Tipp: Detaillierte Informationen zu den ermittelten Kennzahlen und der Erhebung der Versorgungsunterbrechungen sind auf der Website der Bundesnetzagentur abrufbar.

Spannend ist auch ein Vergleich der einzelnen Bundesländer: Während die Verbraucher in Sachsen-Anhalt im Jahr 2016 mit einer Versorgungslücke von mehr als 41 Minuten zurechtkommen mussten, verzichteten die Bürger in Rheinland-Pfalz und Hessen im gleichen Zeitraum nur rund 8 beziehungsweise 9 Minuten auf Strom.

Reserven und Sicherheiten

Olaf Peter Eul von der BNetzA verweist auf die bestehenden Sicherheitsreserven und Sicherungsmechanismen, über die unser Stromnetz verfügt und die eine Überlastung, Schäden oder den vollständigen Kollaps der Netzbetriebsmittel verhindern sollen. Diese Mechanismen werden zum Teil durch den Netzbetreiber gesteuert, beispielsweise das Redispatch, also die Drosselung und Erhöhung der Stromeinspeisung. Andere Mechanismen wirken automatisch, etwa die Über-/Unterfrequenzabschaltung, Leistungsschalter und Sicherungen. Zudem ist die Stromversorgung durch den Zusammenschluss des europäischen Stromnetzes zu einem Verbundnetz in weiten Teilen Europas besonders stabil – zumindest so lange wie die Anlagen zur Stromerzeugung nicht zerstört werden. Natürlich verfügen öffentliche Einrichtungen, Krankenhäuser und Ministerien zusätzlich über eine Notstromversorgung. Doch diese ist zeitlich limitiert. Auch das Technische Hilfswerk (THW) mit seinen über 80.000 ehrenamtlichen Helfern, die örtlichen Feuerwehren und Polizeien wären nur zeitweilig einsatzfähig, um die Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen.

Olaf Peter Eul von der BNetzA bekräftigt zwar, „dass die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden Blackouts in Deutschland als gering einzustufen ist, da die Netzbetreiber bereits zahlreiche Möglichkeiten haben, um einem Blackout entgegenzuwirken.“ Allerdings, so Eul weiter, könne die Möglichkeit eines Blackouts nicht vollständig ausgeschlossen werden, da eben auch unvorhergesehene Ereignisse das Stromnetz beeinflussen. Was also wäre, wenn es tatsächlich zur vollkommene Dunkelheit käme? Wie wahrscheinlich ist ein flächendeckender Stromausfall, ein totaler Blackout, nun wirklich? Und vor allem: Wie können sich Verbraucher auf Stunden, Tage oder Wochen ohne Licht, Internet und Verkehr vorbereiten?

BBK: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe
Bereits vor mehr als zehn Jahren wurde auf der Innenministerkonferenz eine neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland formuliert. Diese fordert insbesondere ein gemeinsames Krisenmanagement von Bund und Ländern bei außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenslagen, die von nationaler Bedeutung sind. Nach den Vorstellungen des Bundesinnenministeriums soll der zivile Bevölkerungsschutz als vierte Säule, neben Polizei, Bundeswehr und Nachrichtendienst, in der nationalen Sicherheitsarchitektur verankert werden. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens nahm das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am 1. Mai 2004 seine Arbeit auf.

Zwar ist auch nach Aussage des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) ein langanhaltender und großräumiger Totalausfall des Stromnetzes sehr unwahrscheinlich, dennoch hält man dort ein solches Ereignis und dessen enorm hohe Auswirkungen für plausibel genug, um präventive und ausführliche Notfallplanungen vorzunehmen. Über die Folgeabschätzungen eines Blackouts und die von Verbrauchern zu treffenden Schutzmaßnahmen für ein solches Szenario, informiert das BBK auf seiner Homepage genauer.

Krisensituationen proben: Die LÜKEX
Die vom BBK – nach Vorgaben des Bundesministerium des Innern in Kooperation mit den Bundesländern – alle zwei Jahre stattfindende Krisenmanagementübung/Exercise, kurz LÜKEX, ist seit dem Jahr 2009 im Paragraf 14 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes gesetzlich vorgeschrieben. Mit diesem übergreifenden Konzept von Bund und Ländern wird das nationale Krisenmanagement in Deutschland seit 2004 regelmäßig geprüft und optimiert. Dabei werden wechselnde Krisenszenarien erprobt, um sich auf strategischer Ebene besser auf ungewöhnliche Situationen vorzubereiten und somit einen höchstmöglichen Schutz für die Bürger zu garantieren.
Während der ersten LÜKEX wurde unter anderem ein großflächiger Stromausfall simuliert. Mehrere Bundesländer beteiligten sich an der dreitägigen Übung im November 2004, dessen Drehbuch über 3000 Seiten lang war. Dabei probten Baden-Württemberg und Bayern die Situation eines zweiwöchigen, großflächigen Blackouts, bedingt durch eine winterliche Extremwetterlage. Das Szenario war aufgrund des Orkans Lothar gewählt worden, der an Weihnachten 1999 weite Teile der Schweiz lahmgelegt und auch in Süddeutschland für Chaos und Tote gesorgt hatte. Etwa 5000 Personen nahmen an der Übung teil. Darunter acht Bundesressorts, alle Sicherheitsbehörden des Bundes und die Bundeswehr. Zudem waren die Krisenstäbe der Landesregierungen, mehrere Regierungspräsidien, zahlreiche Stadt- und Landkreise sowie Energieversorger und Lebensmittelunternehmen involviert.

Ernstfall

Der Bericht des Büros für Technikfolgeabschätzung  beim Deutschen Bundestag beschreibt die Konsequenzen eines umfassenden Stromausfalls ausführlich. Ein Fazit ist durchaus beunruhigend: Bei einem Blackout sei eine flächendeckende und bedarfsgerechte Versorgung der Menschen mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen nicht mehr zu gewährleisten. Nach Aussagen des Berichts kämen großflächige und andauernde Stromausfälle einer nationalen Katastrophe gleich. Fraglich ist auch, wie sich Menschen während einer solchen Katastrophe verhalten würden. Entsprechende Studien liegen derzeit nicht vor. Wichtig erscheint daher die Sensibilisierung der Bevölkerung für die folgenreichen Auswirkungen eines Stromausfalls auf nahezu alle Lebensbereiche und der Aufbau von Selbsthilfekapazitäten.

Tipp: Das BBK hat seine Empfehlungen im Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen  übersichtlich zusammengefasst und in der Broschüre Stromausfall – Vorsorge und Selbsthilfe des BBK finden Sie ausführliche Informationen darüber, wie Sie sich auf einen Blackout vorbereiten und im Fall der Fälle reagieren können.

Vorsorge: Richtig wappnen

Bianca Straube vom BBK rät auf Anfrage von verbraucherblick zur privaten Katastrophenvorsorge durch jeden Bürger: „Vorräte an Wasser, Lebensmitteln, wichtigen Medikamenten, Dinge des täglichen Bedarfes für 10, besser für 14 Tage“ seien jedem Einzelnen dringend zu empfehlen. Zur Orientierung in der Dunkelheit bedarf es zudem eines Vorrats an Kerzen, Taschenlampen und Batterien. Nicht zu vergessen sind Campingkocher, Feuerlöscher und warme, witterungsfeste Kleidung. Außerdem gilt es bei einem eingetretenen Blackout alle elektronischen Geräte unverzüglich vom Netz zu nehmen, um somit die Gefahren eines späteren, unkontrollierten Wiederbetriebs zu unterbinden. Um die Informationen des Krisenstabs empfangen zu können, ist zudem ein batteriebetriebenes oder über einen Dynamoantrieb funktionierendes Radiogerät ratsam. Des Weiteren empfiehlt es sich, unverzüglich Kontakt zu den Nachbarn aufzunehmen, um sich gegenseitig abzusichern.

Natürlich können Verbraucher auch mit einer eigenen Notstromanlage vorsorgen, beispielsweise mit Brennstoffzellen, Generatoren oder Photovoltaikanlagen. Um jedoch einer möglichen Überlastung oder einem Zusammenbruchs des eigenen Systems vorzubeugen, sollten derartige Anlagen zwingend und ausschließlich von einem Elektrofachbetrieb installiert werden.

Deutschland verfügt im europäischen Vergleich über ein stabiles und zuverlässiges Stromnetz, welches durch zahlreiche Sicherheitsvorkehrungen und Notfallmaßnahmen geschützt wird. Dennoch erscheint die Gefahr eines flächendeckenden Blackouts als real. „Eine Aussage, ob und inwieweit ein Blackout in Deutschland wahrscheinlich ist, lässt sich nicht abschließend beantworten“, so Peter Olaf Eul von der Bundesnetzagentur. Ein Restrisiko bleibt also bestehen. Um die damit verbundenen Folgen zu minimieren, bedarf es der jeweils individuellen Vorbereitung des Verbrauchers und des Ausbaus staatlicher Krisen- und Versorgungsstrategien.

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René Koch ist Politikwissenschaftler und Germanist. Er arbeitete als Redakteur und Moderator bei der New Jazz Radio GmbH in Berlin, sammelte Erfahrung als Lektor und Korrektor bei einer Reisetextagentur und in der Presseabteilung von NGOs. Sein Fokus liegt auf Verbraucherschutzthemen und Reisen. Neben seiner Tätigkeit als freier Autor arbeitet er als Netzwerkkoordinator in einer Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in Berlin.