Hallo zusammen,
ich habe eine Frage, ob sich ein Einspruch gegen den Steuerbescheid meines FA für das Steuerjahr 2021 lohnt.
Folgender Fall:
Wir haben im Jahr 2021 ein Mehrfamilienhaus von meinem Schwiegervater gekauft. Unterzeichnung des Kaufvertrages war am 28.06.2021. Der Kaufpreis wurde am 15.12.2021 gezahlt. Laut Kaufvertrag ging der Besitz am Tage der mit der Zahlung des Kaufvertrages auf uns über.
In der Zwischenzeit sind wir – weil die Wohnungen teils ohnehin leer standen – mit der Sanierung der Wohnungen gestartet.
Die Rechnungen, die vor der Kaufpreiszahlung (= vor der Anschaffung) gestellt und gezahlt wurden, überstiegen die 15 %-Grenze nach § 6 EStG. Wir haben diese Rechnungen aber als Werbungskosten angesetzt, da es ja § 6, Abs. 1, 1a EStG explizit heißt, dass Aufwendungen, „die innerhalb von drei Jahren NACH der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden“, in die 15 %-Grenze fallen. Von Aufwendungen, die VOR der Anschaffung anfallen, ist dort nicht die Rede. Unser FA will diese Rechnungen jedoch nicht als Werbungskosten sondern nur im Rahmen der AfA anerkennen.
Wir beziehen uns in unserer Argumentation auf einen Beschluss des BFH vom 28. April 2020 (IX B 121/19) bezogen, der diese Rechtsauffassung exakt so bestätigt. Diesen haben wir dem FA auch schon vor dem Steuerbescheid zukommen lassen.
„Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren "nach" der Anschaffung vom Steuerpflichtigen getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Steuerpflichtigen getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen.“
Weiter heißt es dort: „Nach diesen Grundsätzen ist die [...] für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, ob die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG), nach der zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zählen, die innerhalb von drei Jahren n a c h d e r A n s c h a f f u n g des Gebäudes durchgeführt werden, auch auf Aufwendungen anzuwenden ist, die v o r d e r A n s c h a f f u n g anfallen, nicht klärungsbedürftig. Denn diese Rechtsfrage ist anhand des eindeutigen Gesetzeswortlauts offensichtlich so zu beantworten, wie es die Vorinstanz in dem angegriffenen Urteil getan hat.“
Mit diesem Beschluss hat der BFH das Urteil des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.11.2019, 2 K 2304/17,) bestätigt.
Ich konnte jetzt nicht alles an diesem Fall lesen, aber grundsätzlich klingt das alles sehr ähnlich wie bei uns: Kauf eines MFH; Aufwendungen vor Kaufpreiszahlungen vereinbart, durchgeführt und gezahlt; Ansetzung als Werbungskosten; FA setzte diese als Teil der 15 %-Hürde und somit als „normale“ AfA an.
Wie gesagt, will unser FA die Rechnungen bis zum 15.12.2021 nicht als Werbungskosten anerkennen, sondern lediglich im Zuge der AfA. Begründung:
„Nach Herrmann / Heuer / Raupach zu § 6 EStG sind die Begriffe der Anschaffung und Herstellung im EStG nicht definiert. Im vorliegenden Fall ist von einem Anschaffungskostenzeitraum auszugehen: [Im Folgenden zitiert das FA] „Die finale Begriffsdefinition (vgl. BFH v. 12.6.1978 - GrS 1/77, BStBl. 11 1978, 620 [624 ff.]) führt vielmehr dazu, dass von einem „Anschaffungskostenzeitraum“ auszugehen ist und dass die Überführung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht lediglich als Hauptzweck der Anschaffung und somit als „Anschaffungszeitpunkt“, aber nicht als zeitliches Ende der AK zu verstehen ist (vgl. Mathiak in DStJG 7 [1984], 118; vgl. auch ADS, 6. Aufl. 1995, 255 HGB Rz. 11). Als Anschaffungskostenzeitraum kann man den Beginn der Planung des Erwerbsvorgangs (Z.B. Besichtigung des zu erwerbenden WG) bis zur Erlangung der Betriebsbereitschaft bezeichnen.“
Allerdings finde ich das BFH-Urteil, auf das sich das FA hier bezieht als nicht geeignet, da es darin um Kosten für den Abriss eines bestehenden Gebäudes (inkl. Ansetzung des Restwertes) und den Neubau eines neuen Gebäudes. (https://datenbank.nwb.de/Dokument/100000/)
Kurzum: In dem bezuggenommenen Urteil geht es um Häuser, die mit Abbruchabsicht erworben werden. Das war bei uns ja überhaupt nicht der Fall, ganz im Gegenteil.
Meine Frage ist daher, ob es für Bestandsgebäude so etwas wie einen „Anschaffungskostenzeitraum“ überhaupt gibt und wenn ja, ob dieser auch für Gebäude gilt, die nicht mit Abbruchabsicht erworben werden.