Kostenheranziehung Internatsunterbringung Kinder nach §91-94 SGB VIII als außergewöhnliche Belastung absetzbar?

  • Hallo zusammen,


    zwei meiner drei Kinder sind aufgrund von Eingliederungsmaßnahmen des Jugendamtes nach §35a SGB VIII in Internaten untergebracht.
    Das Jugendamt hat die Maßnahmen aufgrund von ärztlichen Attesten über vorliegende bzw. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit drohende seelische Behinderung bewilligt.
    In dieser Sache habe ich dann pro Kind zwei Bescheide nach §91-94 SGB VIII bekommen:
    1. Das Kindergeld für das jeweilige Kind muss voll ans Jugendamt bezahlt werden
    2. Pro Kind wird ein weiterer monatlicher Kostenbeitrag erhoben, was in Summe noch mal ca. 2.900 pro Monat ausmacht.
    Kann ich diese Kosten als außergewöhnliche Belastung (nach Abzug der zumutbaren Belastung) geltend machen?
    Kann ich die damit verbundenen Fahren (abholen und Bringen der Kinder), die vom Jugendamt nicht erstattet werden, absetzen?


    Meine Argumente dafür (auch wenn die - da ich ein Laie bin - möglicherweise haarsträubend falsch sind):
    - Die Maßnahme wurde vom Jugendamt bewilligt, und die Kosten kommen aus rechtskräftigen Bescheiden dieser Behörde. Es ist kein Kauf, kein Abo, keine in Auftrag gegebene Dienstleistung etc.
    - Vor der Maßnahme wurde jeweils ein Gutachten bei einem freien Gutachter (der hatte solche Maßnahmen als erster empfohlen) und ein ärztliches Attest erstellt. Das Attest wurde jeweils vom Jugendamt akzeptiert und war die Hauptgrundlage für die Bewilligung. Wir haben vorher nichts selbst unternommen.
    - Die Atteste basieren auf konkreten Erkrankungen der Kinder. Bei einem ADHS, beim anderen ADHS und Asperger Autismus. Es müssten somit Krankheitskosten sein.
    - Da wir auch das Kindergeld abführen müssen, kann auch nicht damit argumentiert werden, dass irgendetwas durch das Kindergeld abgegolten wäre. Außerdem sind die Kinder noch immer zwischen 30%-50% der Kalendertage eines Jahres (Wochenenden, Ferien, Feiertage, Krankheiten) zuhause, und brauchen da ja nach wie vor ein Dach über dem Kopf, ein Bett, Essen etc. (obwohl uns das Kindergeld, das ja eigentlich den Zweck der Existenzsicherung hätte, nicht mehr zur Verfügung steht).


    Ich freue mich schon auf kompetente Einschätzungen.


    Wil74

    • Offizieller Beitrag

    Da wir auch das Kindergeld abführen müssen, kann auch nicht damit argumentiert werden, dass irgendetwas durch das Kindergeld abgegolten wäre.

    Das sehe ich in jedem Fall anders, da hier in meinen Augen nur ein vereinfachter Zahlungsweg zu sehen ist. Wenn jetzt im Rahmen des Kinderlastenausgleichs der Abzug kindbezogener Freibeträge im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung höher ist als das bereits gezahlte Kindergeld, bekommt Ihr diesen ja schließlich auch steuermindernd angerechnet unter Gegen-/Anrechnung des bereits gezahlten Kindergeldes.


    Und nach den dort aufgeführten Urteilen, insbesondere dem letzten Beispiel zur Unterbringung eines Kindes in einer Privatschule, die aus sozialpsychologischen oder pädagogischen Gründen erfolgte, sehe ich schwarz für den Ansatz als agB:
    Schulgeld grundsätzlich keine außergewöhnliche Belastung - Quelle: haufe.de

  • Danke für den aufschlussreichen Link.


    Was das Kindergeld betrifft, ist meine Argumentation wohl tatsächlich nicht ausreichend.


    Über den anderen Aspekt würde ich aber gerne noch ein wenig weiter diskutieren und Argumente austauschen.
    In unserem Fall handelt es sich ja eindeutig um eine ärztlich diagnostizierte und attestierte Erkrankung.
    Die sozialpsychologischen Aspekte sind eher "Begleiterscheinungen" der Erkrankung.
    Sie müssen ja wegen der selben Krankheiten auch Medikamente einnehmen.
    Sie sind also nicht irgendwie "schwierig" oder schwer erziehbar, sondern wirklich krank.
    Im Internat wird kontinuierlich daran gearbeitet die Auswirkungen der Krankheit auf das Leben erträglicher zu machen (und den Kindern vielleicht später ein selbständiges Leben zu ermöglichen), in der Schule (auch wenn es dann eine Privatschule ist) wird dafür Sorge getragen dass die Schulbildung nicht auf der Strecke bleibt und trotz der Gesundheitlichen Einschränkungen vernünftig gelernt wird, und drumherum wird das ganze noch von weiteren Therapien flankiert, die ebenfalls das Leben erträglicher machen sollen, aber auch in kleinen Schritten Verbesserungen in Richtung einer Heilung (die leider nicht vollständig möglich ist) erbringen.


    Wahrscheinlich wird die entscheidende Frage sein, wie genau die Grenze zwischen sozialpsychologischen/pädagogischen und Krankheitsbedingten Gründen zu ziehen ist.
    ADHS ist auf jeden Fall sehr viel näher an Legasthenie als an pädagogischen Gründen, auch wenn es sich in pädagogischen Situationen oft manifestiert.
    Asperger Autismus ist sogar eine Behinderung, und das Kind wird in nächster Zeit auch eine entsprechende Einstufung erhalten.


    Würdest du trotzdem schwarz sehen?

    • Offizieller Beitrag

    Du schreibst im Startpost:

    Attesten über vorliegende bzw. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit drohende seelische Behinderung bewilligt.


    In der von mir erwähnten Urteilsbegründung heißt es:

    Zitat

    Der, nach Aussage der hinzugezogenen Psychologin, überdurchschnittlich intelligenten Tochter des Klägers sollten die mit einem Hauptschulbesuch zu erwartenden sozialen Schwierigkeiten erspart werden. Auch sollte eine möglicherweise dadurch bedingte psychische Belastung vermieden werden, um die mit der Legasthenie einhergehenden Störungen nicht zu verstärken.


    Für mich von allen im haufe-Link das passendste Urteil und darauf würde ich mich als FA stützen.


    Bundesfinanzhof Urt. v. 18.04.1990, Az.: III R 160/86

  • Das Urteil passt aus meiner Sicht aus mehreren Gründen nicht:


    - Die Unterbringung im Internat erfolgte durch das Jugendamt, nicht durch uns Eltern
    - Es lag keine Empfehlung eines Psychologen vor, sondern ein ärztlich Attest (=Krankheit)
    - Es stand kein Hauptschulbesuch im Raum der vermieden werden sollte
    - Sinn und Zweck der Unterbringung ist, die Folgen der Erkrankung für die Kinder erträglicher zu machen, und die Krankheit so weit abzulindern, dass irgendwann ein selbständiges Leben möglich ist

    • Offizieller Beitrag

    Mit mir brauchst Du die Diskussion nicht zu führen. Ich bin da anderer Meinung und habe Dir meine Rechtsauffassung auch begründet. Sinn und Zweck der Unterbringung in dem Internat, ist eben die weitere Entwicklung im schulischen Bereich zu gewährleisten und nicht durch mangelnde Leistungen und Ausbildungsdefizite spätere Kollateralschäden in der Psyche zu provozieren. Und letztlich dann eben auch, um durch ein eigenfinanziertes Leben ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

  • Lieber User Wil74, es wäre interessant zu hören, wie die Sache bei Dir ausgegangen ist, da ich gerade mit einem ähnlichen Fall konfrontiert bin. Ich habe bei der Recherche ein aktuelleres Urteil des BFH gefunden: - Urteil vom 18. Juni 2015, VI R 31/14.