21. Mai 2023

Balkonstrom: Netzbetreiber sind letzte Hürde

Die Energiewende ist in aller Munde. Weg von Gas und Kohle, hin zu den Erneuerbaren. Insbesondere die Möglichkeit zur Stromerzeugung aus Sonnenenergie bietet jedem die Chance, einen Teil seines Bedarfs selbst mit grünem Strom zu decken. Dafür ist nicht einmal ein eigenes Haus oder Dach nötig.

Wer ein sonniges Plätzchen auf dem Balkon, an der Fassade oder im Garten frei hat, kann mithilfe eines Stecker-Solargerätes, auch Balkon-PV genannt, selbst Strom erzeugen und nutzen. Die Technik ist ausgereift und sicher, die Montage gut selbst zu bewerkstelligen, der Anschluss ans Stromnetz nicht komplizierter als bei einem Staubsauger. Also alles easy, los gehts? Ganz so einfach ist es noch nicht. Denn für den gesetzeskonformen Betrieb ist eine Anmeldung bei Netzbetreiber und Bundesnetzagentur nötig.

Die Anforderungen der Netzbetreiber bremsen dabei aus und verursachen unnötige Kosten. Ein Stecker-Solargerät darf nicht an jedem Zähler betrieben werden. Alte Drehscheibenzähler laufen rückwärts, wenn mehr Strom erzeugt als verbraucht wird. Manchen Netzbetreibern reicht nicht mal ein Zähler mit Rücklaufsperre. Es muss ein Zweirichtungszähler sein, obwohl für den eingespeisten Strom gar kein Vergütungsanspruch besteht. Der Zählertausch ist zwar kostenlos, monatelange Wartezeiten sind aber keine Seltenheit. Außerdem akzeptieren die meisten Netzbetreiber den Anschluss über einen normalen Schuko-Stecker nicht, sondern verlangen eine spezielle Energiesteckdose oder eine feste Verdrahtung. Für beides ist ein Elektriker nötig. Der hat oft Besseres zu tun und wenn er dann doch kommt, treibt seine Rechnung die Kosten für das kleine PV-Projekt unnötig in die Höhe.

Netzbetreiber stützen ihre Forderungen auf Normen des Verbandes der Elektrotechnik (VDE). Der VDE selbst hat hingegen kürzlich umfangreiche Erleichterungen für solche Mini-Anlagen gefordert. Dazu zählen neben der Duldung aller Zählertypen und des Schuko-Steckers auch der Entfall der Meldepflicht beim Netzbetreiber und die Anhebung der zulässigen Maximalleistung von 600 auf 800 Watt. Tolle Vorschläge, die das Balkonkraftwerk zu einem einfachen Do-it-yourself-Projekt machen. Nur die Umsetzung in den Regelwerken und Normen lässt leider noch auf sich warten. Netzbetreiber sollten ihre Chance ergreifen und die Vereinfachungen schon jetzt übernehmen. So können sie vom Bremser zum Beschleuniger der Energiewende werden.

Umfangreiche Informationen gibt es bei der Verbraucherzentrale RLP.

Stefan Hartmann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Energie und Bauen bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Er berät unter anderem zu den Themen Photovoltaik, Strom sparen und Elektromobilität.