17. März 2024

Schauen Sie nicht in die Röhre

Zum 1. Juli endet das sogenannte Nebenkostenprivileg. Das hat der Gesetzgeber beschlossen. Was bedeutet das? Das Nebenkostenprivileg ist ursprünglich ein Rechtsanspruch für Vermieter. Sie konnten die Kosten des Kabel-TVs direkt auf die Mieter umlegen. Diese waren verpflichtet, den gemeinschaftlichen Kabelanschluss zu zahlen. Ob sie den nutzen oder nicht, spielte keine Rolle.

Kabelfernsehen, TV per Satellit oder Streaming-Dienst und Mediathek? Die Frage, ob und welchen Anschluss er wählt, wird dann beim Mieter allein liegen. Das Privileg für Vermieter wird zum Privileg für Mieter. Sie können künftig entscheiden, auf welchem Weg sie sich Fernsehen in die eigenen vier Wände holen. Das Problem: Auch Kabelanbieter wittern ihre Chance. Auf der einen Seite gehen ihnen zum 1. Juli Vermieter als langjährige Bestandskunden verloren. Auf der anderen Seite spült die Gesetzesänderung geschätzte 12 Millionen Mieter und damit Kunden auf den Markt. Das ist Anlass für unseriöse Unternehmen, Vertreter auf Kundenfang zu schicken.

Tatsächlich sind Haustürgeschäfte nicht verboten. Niemand sollte sich jedoch unter Druck setzen lassen. Seriöse Anbieter weisen sich aus und lassen ihre Kunden die Verträge in Ruhe prüfen. Sie drängen nicht einfach in Wohnungen unter dem Vorwand, einen Kabelanschluss prüfen zu wollen. Und sie schüren keine Ängste, indem sie Mietern drohen, demnächst ohne Fernsehen dazustehen. Mein Rat: Lassen Sie keine Vertreter in Ihre Wohnung! Wer Sie als Kunde gewinnen möchte, überlässt Ihnen zumindest die Antragsformulare, damit Sie die Vertragsbedingungen sorgfältig lesen können. Und falls Sie bereits unterschrieben haben und es bereuen: Nutzen Sie Ihr 14-tägiges Widerrufsrecht.

Falls Sie Angst haben, ab 1. Juli in die Röhre zu schauen, fragen Sie Ihren Vermieter, ob er den Kabelanschluss zum 30. Juni kündigen wird. Überlegen Sie, was Sie möchten: bequem mit einem Klick Ihre Lieblingssender einschalten? Dann ist vermutlich ein Kabel- oder Satellitenanschluss das Richtige für Sie. Sie nehmen Werbung in Kauf, solange Sie nichts zahlen müssen? Dann sind kostenlose Streamingdienste via Internet wie Joyn, Freevee oder Zattoo eine Option. Auch über die Mediatheken der großen Sender genießen Sie gratis Zugang zum TV-Programm. Sind Sie Serien-Junkie oder auf der Suche nach ausgewählten Filmen? Dann kommen kostenpflichtige Streaming-Anbieter in Betracht.

Ralf Reichertz ist Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Thüringen. Dabei engagiert er sich unter anderem für die Verbraucheraufklärung in den Bereichen Digitales und Datenschutz.