1. Juli 2023

Zinswende – Comeback der Bau- und Sparzinsen

Mal ehrlich: Seit Monaten sehen wir, wie die Europäische Zentralbank immer wieder die Leitzinsen anhebt. Damit stemmen sich die Notenbanken gegen die hohe Inflation von knapp 9 Prozent. Aber auf meine Spareinlagen mit Guthabenzinsen hat das so gut wie keine Auswirkungen.

Bis eine Zinserhöhung bei uns Verbrauchern ankommt, vergehen oft viele Monate. Ich beobachte, dass vorrangig Sparkassen und Volksbanken so gut wie keine Zinsen auf Spareinlagen anbieten. Anders war die Entwicklung der Bauzinsen Anfang 2022. Es war bereits bei der Vorankündigung einer möglichen Leitzinsanhebung Bewegung im Markt. Die Zinsen für Baudarlehen wurden von 0,9 Prozent für zehnjährige Zinsbindungen auf derzeit knapp 4 Prozent angehoben. Einige Experten sehen die Entwicklung der Zinsen für Baudarlehen bis Ende 2023 bei um die 5 Prozent. Das wäre ungefähr das Niveau aus dem Jahr 2011. In Kombination mit den langfristigen Zinsen an den Anleihemärkten sind die Leitzinsen entscheidend für die Höhe von Spar- und Bauzinsen. Aber es erfolgt immer eine grundlose Verzögerung der Weitergabe für Anlage- und Guthabenzinsen von mehreren Monaten.

Wir haben mit der Verbraucherzentrale Bremen Anfang März Spar- und Girokontokonditionen von 14 Banken mit Nachhaltigkeitsstandards untersucht. Die positive Nachricht ist, dass die meisten der untersuchten Kreditinstitute ihre Guthabenzinsen erhöht haben und Zinssätze von bis zu 3 Prozent für längere Laufzeiten anbieten. Jedoch bieten 4 der 14 untersuchten Banken noch Zinsen um 0 Prozent für Tagesgeld oder auch längerfristige Angebote an. Eine Bank hält sogar an einem Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent fest, allerdings nur für Beträge ab einer Million. Die Konditionen für Tagesgeld liegen meist bei 0,5 Prozent. Genau wie die Sparzinsen sind auch die Zinsen für Dispositionskredite bei einigen Banken gestiegen. Die stärkste Erhöhung betrug knapp 4,5 auf 10,41 Prozent.

Dass Kreditzinsen nach Leitzinserhöhungen schneller ansteigen als Guthabenzinsen ist in der gesamten Branche typisch und auch keine Besonderheit von Banken mit Nachhaltigkeitsstandards. Die Banken tun sich traditionell schwer, Zinsen auf Spareinlagen zu gewähren. Zinserhöhungen zugunsten der Banken dagegen werden zügig an die Verbrauchern weitergegeben. Das größte Hindernis ist aber die anhaltende hohe Inflationsrate von über 8 Prozent. Dabei verpuffen selbst Festgeldzinsen von 3 Prozent und mehr. Denn der Realzins, also der Zins abzüglich der Inflation, bleibt dann weiterhin negativ.

Dr. Annabel Oelmann ist seit April 2016 Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Zuvor leitete sie sieben Jahre lang u.a. die Gruppe Finanzen und Versicherungen der VZ Nordrhein-Westfalen. Ihre Themenschwerpunkte sind Geldanlage, Kredite, Versicherungen und Altersvorsorge.