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© Adrew Krasovitckii -Shutterstock

Corona-Flaute: Betriebsunterbrechung statt Geschäftsaufgabe?

Angesichts zum Teil dramatischer Umsatz- und Gewinneinbrüche denken derzeit viele Selbstständige und Unternehmer über einen Ausstieg aus der Selbstständigkeit nach. Mit dem Abmelden des Gewerbes ist es dabei jedoch nicht getan. Mehr noch: Eine unüberlegte Geschäftsaufgabe kann zu bösen Überraschungen führen!

Hintergrund: Betriebsvermögen, das ins Privatvermögen übergeht, führt oftmals zu einem unerwartet hohen Aufgabegewinn. Und auf den fallen Einkommensteuer und Umsatzsteuer an!

Nicht zuletzt deshalb lohnt es sich, den Unterschied zwischen einer Betriebsunterbrechung und der Geschäftsaufgabe zu kennen: Eine Betriebsunterbrechung kann durchaus mehrere Jahre andauern. Im Unterschied zur kompletten Geschäftsaufgabe halten Sie sich damit die Option einer unbürokratischen Rückkehr in die Selbstständigkeit offen. Dafür laufen allerdings auch bestimmte Kosten weiter.

Aufgeben oder Pausieren?

Vielen Betroffenen ist die Möglichkeit einer vorübergehenden Unterbrechung ihrer Geschäftstätigkeit gar nicht bekannt:

  • Bei einer Betriebsaufgabe wird die bisher ausgeübte selbstständigen Tätigkeit endgültig eingestellt. Das Unternehmen nimmt damit auch nicht mehr am Wirtschaftsleben teil. Das Betriebsvermögen und die sonstigen Betriebsgrundlagen werden innerhalb kurzer Zeit veräußert oder ins Privatvermögen überführt.
  • Während einer Betriebsunterbrechung besteht das Unternehmen weiter. Und zwar auch dann, wenn die Tätigkeit komplett ruht und der Selbstständige sich nicht um neue Aufträge oder Kunden bemüht. Es muss allerdings glaubhaft sein, dass irgendwann die Wiederaufnahme der selbständigen Tätigkeit in gleicher Form beabsichtigt und überhaupt möglich ist. Das wäre zum Beispiel nicht mehr plausibel, wenn alle betriebsnotwendigen Maschinen und Anlagen verkauft werden.

Ob der Betrieb im Einzelfall aufgegeben oder nur vorübergehend eingestellt wurde, darüber kann es mit dem Finanzamt durchaus Streit geben. Eine feste zeitliche Grenze für eine Betriebsunterbrechung existiert jedenfalls nicht. Sie kann auch jahrelang andauern, ohne dass ein bestimmter Zeitpunkt für die Wiederaufnahme festgelegt wird. Wenn das Finanzamt jedoch klare Anhaltspunkte dafür hat, dass keine Wiederaufnahme mehr beabsichtigt ist, kann es von einer Aufgabe des Betriebs ausgehen.

Betriebsaufgabe: Das Finanzamt will Steuern

Haben Sie Ihren Gewinn bisher per Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) ermittelt? Das ändert sich, wenn Sie den Betrieb aufgeben. In diesem Fall behandelt Sie das Finanzamt so, als ob sie zu diesem Zeitpunkt zur bilanziellen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG übergegangen wären.

Steuerrechtlich gilt die Aufgabe des Gewerbebetriebs nämlich als Veräußerung Ihres Betriebs (§ 16 Abs. 3 EStG). Deshalb fällt dabei ein Aufgabegewinn an, der Ihre Steuerlast erhöht. Sowohl der Verkauf von Betriebsvermögen wie auch dessen Überführung ins Privatvermögen erhöhen den Aufgabegewinn. Das betrifft alle Teile des Anlage- und Vorratsvermögens, wie zum Beispiel …

  • Maschinen und Anlagen,
  • Firmenfahrzeuge,
  • Vorräte,
  • Büromöbel und Computer, aber auch
  • Grundstücke, Lizenzen und sogar Kundenlisten oder Geschäftsgeheimnisse sowie
  • Forderungen aller Art, etwa aus unbezahlten Rechnungen.

Der Aufgabegewinn muss als Grundlage der Besteuerung präzise ermittelt werden. Die Berechnung kann durchaus kompliziert sein. Oft wird dafür eine Aufgabebilanz erstellt, das ist allerdings nicht vorgeschrieben.

Grundsätzlich gilt:

  • Verkaufen Sie das Betriebsvermögen oder Teile davon, erhöht der Erlös den Veräußerungsgewinn.
  • Wenn Sie Computer, Firmenfahrzeug und andere Investitionsgüter in Ihr Privateigentum überführen, müssen Sie diese für den Aufgabegewinn ebenfalls berücksichtigen, und zwar mit ihrem Gemeinwert. Der Gemeinwert entspricht dem, was Sie bei einem Verkauf zu marktüblichen Bedingungen erzielt hätten, etwa über eBay oder vergleichbare Plattformen.
  • Ausstehende Forderungen erhöhen grundsätzlich ebenfalls den Aufgabegewinn, auch wenn Ihre Kunden erst nach der Betriebsaufgabe bezahlen. Dafür gehört die – bereits versteuerte – Forderung dann zu Ihrem Privatvermögen.
    Wenn Sie keine Aussicht auf einen Zahlungseingang mehr sehen, können Sie die Forderung abschreiben. Sollte das Geld später doch noch eintreffen, müssen sie den Zahlungseingang allerdings nachversteuern.
  • Abgezogen wird der Buchwert Ihres Betriebsvermögens, der sich grundsätzlich aus Anschaffungskosten und Abschreibungen ergibt. Die Buchwerte verringern also den Aufgabegewinn.
  • Abgezogen werden auch alle Kosten, die im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe entstehen, beispielsweise durch Gutachten zur Wertermittlung.

Wichtig: Auch bei der Überführung in Ihr Privatvermögen fällt Umsatzsteuer an, die Sie in diesem Fall wie ein Verbraucher selbst tragen müssen.

Bitte beachten Sie: Die hier skizzierten Vorschriften zur Besteuerung des Aufgabegewinns betreffen gewerbliche Unternehmen. Für freiberufliche und vergleichbare selbstständige Tätigkeiten gelten besondere Vorschriften. Diese besprechen Sie am besten mit Ihrem Steuerberater.

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Das Problem: Die stillen Reserven

Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns kommt es zur Aufdeckung der stillen Reserven. Auch wenn viele Selbstständige gar nicht wissen, dass diese existieren! Stille Reserven ergeben sich, wenn der Buchwert des Betriebsvermögens unter dessen tatsächlichem Wert liegt. Aufgedeckt werden stille Reserven, wenn auf einmal der tatsächliche Wert, etwa der Gemeinwert, die Besteuerung bestimmt.

Typisches Beispiel:

Sie haben vor vielen Jahren ein Betriebsgrundstück zum günstigen Preis erworben. Dieser Preis und die jährliche Abschreibung sorgen für einen niedrigen Buchwert. Der Marktwert der Immobilie ist dagegen seither deutlich gestiegen. Diese Differenz zwischen Marktwert und Buchwert macht sich bei der Betriebsaufgabe nun bemerkbar, denn sie schlägt sich als Aufgabegewinn nieder und erhöht die Steuerlast.

Gerade bei Immobilien geht es dabei oft um erhebliche Summen. Ein solcher Effekt ergibt sich auch bei Firmenfahrzeugen. Die sind nach sechs Jahren in der Regel buchmäßig vollständig abgeschrieben, haben als Gebrauchtfahrzeuge aber noch einen realen Marktwert. Oder bei Maschinen, die auch nach ihrer Abschreibungsfrist von zehn Jahren noch gute Preise erzielen.

Sonderregel für Selbstständige ab 55

Selbstständige, die mindestens 55 Jahre alt oder dauerhaft berufsunfähig sind, können bei der Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns auf Antrag einen Freibetrag von 45.000 Euro in Anspruch nehmen. Nur wenn der Aufgabegewinn diesen Wert übersteigt, erhöht sich der zu versteuernde Gewinn und damit die Steuerlast (§ 16 Abs. 4 EStG).

Allerdings gibt es auch zu dieser Regelung wieder eine Ausnahme: Übersteigt der Veräußerungsgewinn einen Wert von 136.000 Euro, wird jeder weitere Euro von dem Freibetrag abgezogen. Ab einem Veräußerungsgewinn von 181.000 Euro liegt der Freibetrag damit wieder bei null.

Betriebsunterbrechung

Statt für die Betriebsaufgabe können Sie sich für eine – auch mehrjährige – Betriebsunterbrechung entscheiden. Dann müssen Betriebsgrundlagen und Anlagegüter nicht verkauft oder ins Privateigentum übernommen und dabei versteuert werden. Sie verbleiben bis auf Weiteres einfach im Betriebsvermögen.

Dafür schlagen weiterhin laufende Kosten zu Buche (wie zum Beispiel Lagerkosten und Lizenzgebühren) oder auch die Beiträge zur IHK oder Handwerkskammer. Diese können Sie auch in Zeiten ohne aktive Geschäftstätigkeit weiterhin als Betriebsausgaben steuermindernd geltend machen. Das bringt allerdings nur dann etwas, wenn es weiterhin Einnahmen zum Gegenrechnen gibt. Das Verrechnen eventueller Verluste ist nur bedingt möglich. Auch hier sollten Sie unbedingt Rücksprache mit Ihrem Steuerberater halten!

Hinweis zur Umsatzsteuer: Solange die unternehmerische Tätigkeit nur vorübergehend ruht, ist auch der Vorsteuerabzug weiterhin möglich. Etwa für die Umsatzsteuer auf Wartungsarbeiten an eingelagerten Maschinen oder für die Verlängerung von Software-Lizenzen. Allerdings gilt umgekehrt die weithin unbekannte und oft ignorierte Pflicht, auf die Privatnutzung betrieblicher Werte – etwa des Firmentransporters – Umsatzsteuer zu entrichten.

Pflichtabmeldung?

Grundsätzlich ist es sehr wohl erlaubt und möglich, den Geschäftsbetrieb auch auf Jahre hinaus zu unterbrechen und die Geschäftstätigkeit ruhen zu lassen, ohne dass die Unterbrechung an die Behörden gemeldet werden müsste. Dem zuständigen Gewerbeamt beispielsweise muss zwar die endgültige Aufgabe des Gewerbebetriebs angezeigt werden, nicht aber dessen zeitweiliges Ruhen.

Auch das Finanzamt müssen Sie nicht über das Ruhenlassen der Geschäftstätigkeit informieren. Das kann allerdings Sinn machen, um so schnell wie möglich laufende Einkommensteuervorauszahlungen abzusenken und um den Rhythmus der Umsatzsteuervoranmeldungen zu verlängern.

Steuerberater fragen

Zu welcher Steuer- und Kostenbelastung eine Betriebsunterbrechung oder die Aufgabe des Unternehmens führt, lässt sich nur im konkreten Fall entscheiden. Bei der Entscheidung gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen. Hier einige der wichtigsten Kriterien:

  • Sind Sie schon 55 Jahre alt oder älter, oder lohnt es sich vielleicht, auf diesen Geburtstag zu warten?
  • Wie hoch ist die Diskrepanz zwischen Buchwerten und Marktwerten?
  • Wann besteht wieder eine realistische Aussicht auf Wiederbelebung des Geschäfts?
  • Lassen sich Teile des Betriebsvermögens zeitweilig verpachten oder anderweitig nutzen?

Ganz sicher jedoch sollten Sie nicht vorschnell über eine Geschäftsaufgabe entscheiden! Es lohnt sich, das Szenario mit einem Steuerberater durchzurechnen. Sonst können die finanziellen Folgen zu einem bösen Erwachen führen. Manchmal ergibt ein Ruhenlassen des Betriebs mehr Sinn.

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