Das Wachstumschancengesetz: Welche Änderungen kommen auf Selbstständige zu?

Update März 2024: Eine aktualisierte Version des Beitrags mit den tatsächlichen Beschlüssen finden Sie hier.

Das Wachstumschancengesetz ist noch nicht verabschiedet, derzeit befasst sich der Vermittlungsausschuss damit. Trotzdem ist es für Selbstständige sinnvoll, die wichtigsten der geplanten Neuregelungen zu kennen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungsvorhaben.

Das geplante Wachstumschancengesetz: Umfassende Änderungen im Steuerrecht in Sicht

Im Entwurf zum Wachstumschancengesetz hatte die Bundesregierung ein umfangreiches Paket an Steueränderungen zusammengeschnürt. Der Bundestag hat das Gesetz verabschiedet, den Bundesrat hat es nicht passiert. Nun muss sich der Vermittlungsausschuss damit befassen.

Obwohl derzeit noch nicht entschieden ist, wann und mit welchen Bestimmungen das Gesetz in Kraft tritt, lohnt sich ein Überblick über die geplanten Regelungen. Die Änderungen sind umfassend und wirken sich gegebenenfalls auf viele Selbstständige und Unternehmen praktisch aus. Der folgende Überblick stellt die wichtigsten Änderungen für Selbstständige vor.

Ein kleiner Teil der Regelungen wurde ausgelagert und verabschiedet

Der offizielle Titel des Gesetzes lautet „Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“. Ursprünglich sollten viele der Bestimmungen zum 01. Januar 2024 in Kraft treten. Sollten die Regelungen verabschiedet werden, so werden sie möglicherweise rückwirkend ab dem Jahreswechsel in Kraft gesetzt.

Ein kleiner Teil der zunächst im Wachstumsförderungsgesetz enthaltenen Änderungen wurde mittlerweile als Teil eines anderen Gesetzes verabschiedet, dem im Dezember verkündeten Kreditzweitmarktförderungsgesetz. Es geht dabei vor allem um:

  • Anpassungen des Steuerrechts an die seit 01. Januar 2024 geltenden Änderungen, die das MoPeG (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz) für Personengesellschaften brachte, vor allem die GbR
  • die Nicht-Besteuerung der Dezemberhilfen aus dem Jahr 2022
  • die Anpassung der lohnsteuerlichen Vorsorgepauschale an die Änderungen der Beitragshöhe zur Pflegeversicherung für Beschäftigte mit mehr als einem Kind
  • Anpassungen der sogenannten Zinsschranke an EU-Vorgaben, sie schränkt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen als Betriebsausgaben ein, gilt aber erst, wenn der Saldo aus Zinsaufwendungen und Zinserträgen drei Millionen Euro erreicht

Geplante Änderungen im Abschreibungsrecht und bei Investitionsrücklagen:

  • Geringwertige Wirtschaftsgüter dürfen sofort in voller Höhe abgeschrieben Die GWG-Grenze liegt derzeit bei 800 Euro. Das neue Gesetz soll sie ab 2024 auf 1.000 Euro anheben (§ 6 Abs 2 EStG-E).
  • Alternativ können bewegliche Wirtschaftsgüter im Wert von mindestens 250 Euro, aber nicht mehr als 1.000 Euro, im Pool auf fünf Jahre abgeschrieben werden. Diese Sammelposten sollen ab 2024 für Wirtschaftsgüter möglich sein, deren Wert unter 5.000 Euro liegt, gleichzeitig soll die Abschreibungsfrist auf drei Jahre gesenkt werden (§ 6 Abs 2a EStG-E).
  • Für Wirtschaftsgüter, die zwischen 2020 und 2022 angeschafft wurden, war neben der linearen Abschreibung auch eine degressive AfA möglich. Die degressive Abschreibung soll wieder eingeführt werden, für Wirtschaftsgüter, die ab dem vierten Quartal 2023 und bis einschließlich 2025 angeschafft werden (§ 7 Abs 2 EStG-E).
  • Bei der Anschaffung oder Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter kann zusätzlich zur AfA eine Sonderabschreibung von 20 Prozent auf fünf Jahre genutzt werden, wenn das Unternehmen im Vorjahr nicht mehr als 200.000 Euro Gewinn erzielt hat. Diese Sonderabschreibung soll ab 2024 auf 50 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten erhöht werden (§ 7g EstG-E).

Geplante Änderungen beim Verlustvortrag und Verlustrücktrag

  • Verluste in einem Veranlagungsjahr können als Verlustrücktrag von Einkünften im Vorjahr abgezogen werden. Dieser Verlustrücktrag bei der Einkommens- und Körperschaftssteuer ist seit dem Veranlagungsjahr 2020 und noch für 2023 bis zu zehn Millionen Euro möglich, bei Eheleuten bis zu 20 Millionen Euro (davor: eine bzw. zwei Millionen Euro). Der so erhöhte Verlustrücktrag soll nun auch für 2024 und 2025 gelten. Danach, ab dem Veranlagungsjahr 2026, soll der Verlustrücktrag bis zu fünf Millionen Euro möglich sein, bei Ehepaaren bis zu 10 Millionen Euro (§ 10d Abs. 1 EstG-E).
  • Bleibt beim Verlustrücktrag ins Vorjahr ein Verlustbetrag übrig, kann er derzeit ins Vor-Vorjahr verlagert werden. Diese Rücktragsmöglichkeit soll auf das dritte Jahr vor dem betreffenden Veranlagungsjahr ausgedehnt werden (§ 10d Abs. 1 EstG-E).
  • Wahlweise kann anstelle des Verlustrücktrags auch ein Verlustvortrag ins folgende Veranlagungsjahr erfolgen. Der ist allerdings nur bis zu Beträgen von einer Million unbeschränkt möglich, bei Ehepaaren von zwei Millionen. Für darüberhinausgehende Beträge ist der Verlustvortrag nur zu 60 Prozent möglich. Diese Einschränkung soll für die Veranlagungsjahre 2024 bis 2027 auf 75 Prozent gelockert werden (§ 10d Abs. 2 EstG-E).

Geplante steuerrechtliche Änderungen bei der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer:

  • Die Pauschalen, die als Verpflegungsmehraufwand für Auswärtstätigkeiten steuerlich absetzbar sind oder vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzt werden können, sollen 2024 von 14 Euro auf 16 Euro für den Anreise- und Abreisetag und jeden einzelnen Tag mit mehr als achtstündiger Abwesenheit steigen, sowie von 28 Euro auf 32 Euro für jeden Tag vollständiger Abwesenheit von Wohnung, erster Tätigkeitsstätte oder erster Betriebsstätte (§ 9 Abs. 4a EstG-E).
  • Der steuerfreie Kostenanteil, den Arbeitgeber pro Arbeitnehmer für Betriebsfeiern aufwenden können, liegt derzeit bei 110 Euro. Er soll ab 2024 auf 150 Euro steigen (§ 19 Abs. 1a EstG-E).
  • Werden Arbeitnehmern Vergütungen für mehrjährige Arbeit auf einmal ausbezahlt, muss dafür in der Lohnabrechnung die Fünftelregelung angewandt werden. Diese Methode, die verhindert, dass der Grenzsteuersatz der Steuerprogression durch die geballte Auszahlung stark steigt, ist zum Beispiel für Abfindungen bei Kündigung oder für mehrjährige Provisionen anzuwenden. Nun soll die Arbeitgeber-Pflicht zur Anwendung der Fünftel-Regelung ab 2024 wegfallen: betroffene Arbeitnehmer müssen stattdessen eine Einkommensteuererklärung einreichen (§ 39 Abs. 3 EstG-E).

 

Weitere geplante Änderungen bei der Einkommensteuer im Geschäftsalltag:

  • Bislang gilt, dass Geschenke an Geschäftsfreunde nur als Betriebsausgaben abziehbar sind, wenn ihr Wert pro Empfänger und Jahr maximal 35 Euro beträgt. In Zukunft soll dafür eine neue Grenze von 50 Euro gelten (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 EstG-E).
  • Wer ein reines E-Auto oder ein Brennstoffzellenfahrzeug als Geschäftswagen anschafft, muss zum Ausgleich der privaten Nutzungsmöglichkeit nur ein Viertel des Bruttolistenpreises Die 1-Prozent-Methode wird dadurch also zur Viertelprozent-Methode. Wer stattdessen ein Fahrtenbuch führt, muss als Teil der Fahrzeugkosten nur ein Viertel des Anschaffungspreises ansetzen. Diese Regelung gilt bereits seit 2019 für neu angeschaffte Fahrzeuge, aber nur bei einem Bruttolistenpreis bis 60.000 Euro. Nun soll die Erleichterung ab Anschaffung 2024 bei einem Bruttolistenpreis bis zu 70.000 Euro gelten.
    Für Hybridfahrzeuge, die noch bis Ende 2024 angeschafft werden, ist nur die Hälfte des Listenpreises anzusetzen, wenn das Fahrzeug entweder maximal 50 Gramm CO2 pro Kilometer ausstößt oder eine elektrische Reichweite von 80 Kilometern erreicht. Das Reichweitenkriterium für die Steuererleichterung soll ab 2025 entfallen, so dass nur noch der CO2-Ausstoß zählt (§ 6 Abs 1 Nr. 4 EstG-E).
  • Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung müssen nicht versteuert werden, wenn sie weniger als 1.000 Euro im Jahr betragen. Das gilt auch beispielsweise bei Untervermietung eines Schreibtischplatzes. Auf Antrag können die Einnahmen dennoch steuerlich berücksichtigt werden, wenn die Ausgaben im Zusammenhang mit der Vermietung über den Einnahmen liegen (§ 3 Nr. 73 EstG-E).

Geplante Änderung bei der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer:

  • Genau wie bislang schon die Kommanditgesellschaft und die OHG soll ab 2024 auch eine GbR zur Körperschaftsbesteuerung optieren können und dann grundsätzlich wie eine Kapitalgesellschaft Steuern zahlen (§ 1a Abs.1 KStG-E).
  • Bislang werden Leasingraten für einen PKW zu einem Fünftel bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung berücksichtigt. Bei Hybrid-PKW sinkt die Hinzurechnung auf die Hälfte, wenn die CO2-Emission maximal 50 Gramm pro Kilometer oder die elektrische Reichweite 80 Kilometer beträgt. Das Reichweitenkriterium soll auch hier ab 2025 entfallen (§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG-E).
  • Bei der Ermittlung des Gewerbeertrags kann ein Gewerbeverlust aus Vorjahren bis zu einer Höhe von einer Million voll angerechnet werden. Darüber ist der Verlustvortrag nur zu 60 Prozent möglich. Diese Beschränkung soll für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 auf 75 Prozent angehoben werden, analog zum Verlustvortrag bei der Einkommensteuer (§ 10a GewStG-E).

Geplante Änderungen bei der Umsatzsteuer:

  • Ab 2025 soll die elektronische Rechnung im B2B-Bereich verpflichtend Als eRechnung in diesem Sinne gelten nur die Rechnungsformate EDI, xRechnung und ZUGFeRD als „strukturierte elektronische Formate“, neben Papierrechnungen sind damit auch Rechnungen per E-Mail, als Word- oder als einfache PDF-Datei zwischen Unternehmen ausgeschlossen (§ 14 Abs. 1 UStG).
    Im Fall von Kleinbetragsrechnungen gilt die Pflicht zur eRechnung nicht (§ 33 UStDV-E). Außerdem können Geschäftspartner sich für einen Übergangszeitraum von 2025 bis 2026 auch auf Rechnungen im Papier- oder PDF-Form verständigen, für Selbstständige mit einem Vorjahresumsatz von maximal 800.000 Euro gilt diese Ausnahme auch noch im Jahr 2027 (§ 27 Abs. 39 UStG-E).
  • Wenn im Vorjahr nicht mehr als 1.000 Euro an Umsatzsteuer angefallen sind, muss keine Umsatzsteuervoranmeldung Dieser Betrag soll ab 2024 auf 2.000 Euro steigen (§ 18 Abs. 2 UStG-E).
  • Umsatzsteuerliche Kleinunternehmer sollen ab 2024 grundsätzlich keine Umsatzsteuererklärung mehr abgeben müssen, abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Selbstständigen, die ausschließlich innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland durchführen (§ 19 Abs. 1 UStG-E).
  • Die Grenze des Vorjahresumsatz für den Übergang von der Ist-Besteuerung zur Soll-Besteuerung soll ab 2024 von 600.000 Euro auf 800.000 Euro steigen.

Geplante Änderung bei der Buchführungspflicht

Bislang müssen Gewerbetreibende spätestens dann von der Einnahme-Überschuss-Rechnung zur doppelten Buchführung übergehen, wenn der Gesamtumsatz 600.000 Euro oder der Gewinn 60.000 Euro im Jahr erreichen. Diese Grenzen sollen ab 2024 auf 800.000 Euro beziehungsweise 80.000 Euro ansteigen (§ 141 Abs. 1 AO-E). Dies gilt auch für Einzelkaufleute (§ 241a HGB-E).

Geplante Klimaschutz-Investitionsprämie:

Von der geplanten neuen Klimaschutz-Investitionsprämiengesetz (KlimaInvPG-E) sollen Selbstständige und Gewerbetreibende profitieren, wenn sie neue bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Wert von insgesamt mindestens 10.000 Euro anschaffen und damit den Klimaschutz fördern. Die Kosten pro Wirtschaftsgut sollen bei mindestens 5.000 Euro liegen, kleine Beschaffungen werden also nicht gefördert. Als Förderung soll es 15 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten geben. Außerdem mindert die Prämie die AfA.

Als Fördervoraussetzung muss das Anlagegut die Energieeffizienz des Unternehmens verbessern. Dieser Klimaschutzbeitrag muss nachgewiesen werden. Umlaufvermögen wie Lagerbestände, unbewegliche Wirtschaftsgüter wie bauliche Einrichtungen und immaterielle Wirtschaftsgüter wie Lizenzen werden nicht gefördert. Für Investitionen in Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme, Fernkälte oder fossil betriebene Energieanlagen ist die Begünstigung ebenfalls ausgeschlossen. Als Förderzeitraum ist die Zeit von März 2024 bis Ende 2029 vorgesehen. In dieser Zeit sollen maximal vier Anträge gestellt werden können.

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