Steuergerechtigkeit. Im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 ein Kernelement in der Debatte über das deutsche Steuersystem. Nicht fehlen darf in diesem Zusammenhang die Vermögenssteuer. Vor allem von linken Parteien wird sie seit jeher forciert. Zu Recht? Um eine ungleiche Verteilung von Vermögen zu vermeiden, scheint eine Vermögenssteuer auf den ersten Blick ein passendes Mittel zu sein. Wir zeigen, was es mit dieser Steuer auf sich hat.
Schnelleinstieg
Kurz & knapp
- Die Vermögenssteuer gab es bereits von 1923 bis 1996 in Deutschland
- Verfassungsgericht sah Form der Steuer als verfassungswidrig an
- Wiedereinführung wieder in der Diskussion
Was ist die Vermögenssteuer?
Die Vermögenssteuer wird auf das gesamte Vermögen einer Person erhoben. Damit sollen vor allem hohe persönliche Vermögen stetig besteuert werden. Die Steuer wird an einem bestimmten Stichtag auf das jeweilige Netto- bzw. Reinvermögen erhoben. Dazu zählen folgende Werte:
- Grundvermögen (Gebäude und Grundstücke, Erbbaurecht, Wohneigentum, etc.)
- Finanzvermögen (Bargeld, Bankguthaben, Wertpapiere, Forderungen, Anteilsrechte, etc.)
- Betriebsvermögen (ohne Altersvorsorgeansprüche und Hausrat)
- abzüglich der Schulden, die auf den steuerpflichtigen Vermögen liegen.
Beispiel: Was zählt als Vermögen?
Stefan kauft sich ein Eigenheim für 600.000 Euro. Dafür nimmt er einen Kredit von 300.000 Euro auf.
Dieser Kredit wird von seinem Vermögen abgezogen. Als Reinvermögen bleiben damit 300.000 Euro übrig. Als Vermögen zählt also nur, was Stefan tatsächlich besitzt.
Doch es soll nicht das komplette Vermögen gleich ab dem ersten Euro versteuert werden. Ein Freibetrag soll sicherstellen, dass auch wirklich nur hohe Vermögen belastet werden. Doch: Ab wann fängt Reichtum an? In manch aktuellen Wahlprogrammen zur Bundestagswahl ist von der Erhebung der Steuer ab einer Höhe von 1 Million Euro Vermögen die Rede.
Die Vermögenssteuer kann hierbei sowohl für Einzelpersonen als auch familiäre Zusammenhänge erhoben werden. Ähnlich wie bei der Einkommensteuer, bei der auch Ehepartner zusammen veranlagt werden. Auch die Berücksichtigung von Kindern kann so erfolgen.
Neben der Vermögenssteuer gibt es noch die Möglichkeit einer Vermögensabgabe. Diese wird im Gegensatz zur Vermögenssteuer nur einmalig erhoben.
Wer will die Vermögenssteuer?
Aktuell wird die Vermögenssteuer im Wahlkampf zur Bundestagswahl von SPD, Linken und Grünen gefordert. SPD und Grüne wollen diese ab einem Vermögen von 2 Millionen Euro einführen, und zwar in Höhe von einem Prozent jährlich. Die Linken würden bereits Vermögen ab 1 Million Euro mit 5 Prozent Vermögenssteuer belasten.
Auch der Internationale Währungsfonds schlug die Wiedereinführung der Steuer auf seiner Frühjahrstagung vor. Er plädiert für eine zeitlich befristete Abgabe der oberen Zehntausend nach dem Vorbild des Solidaritätszuschlages.
Auch die Industriestaaten-Organisation OECD befürwortet die Vermögenssteuer. Diese sei verteilungsgerecht, da das Vermögen insbesondere in Deutschland sehr ungleich verteilt sei. Hauseigene Studien hätten gezeigt, dass die Steuer weniger negative Effekte auf das Wirtschaftswachstum hätte als eine hohe Besteuerung von Arbeitseinkommen.
Wo gilt die Vermögenssteuer heute?
In vielen Ländern wurde die Vermögenssteuer eingeführt, nur noch wenige haben sie aktuell. Derzeit gibt es sie nur noch in einer Handvoll OECD-Ländern, zum Beispiel in der Schweiz, Frankreich und Norwegen.
Die Länder Schweden, Österreich, Italien oder die Niederlande haben sie bereits wieder abgeschafft. In Spanien wurde sie befristet wiedereingeführt. In Frankreich wurde sie 2018 in eine reine Immobiliensteuer umgewandelt.
Doch viele Länder erheben aktuell auch noch weitere vermögensbezogene Steuern. Auch Deutschland. Zum Beispiel die Erbschaftsteuer, Schenkungsteuer oder Grundsteuer. Der Unterschied: Diese versteuern nicht das Kapitalvermögen, sondern beziehen sich auf andere Vermögenswerte.
Pro und Contra zur Vermögenssteuer
Seit Abschaffung der Vermögenssteuer in den 1990ern mehren sich die Stimme zu deren Wiedereinführung. Jedoch sind auch die Gegner der Steuer in den Diskussionen sehr präsent. Die wichtigsten Stimmen lauten wie folgt.
Argumente für die Vermögenssteuer
Steuergerechtigkeit
➕ Einigen Stimmen zufolge würde die Vermögenssteuer der steigenden Ungleichverteilung von Vermögen entgegenwirken und so für mehr Gerechtigkeit sorgen. In Deutschland vereinen nämlich die reichsten 10 Prozent der Haushalte die Hälfte des Vermögens auf sich. Die untere Hälfte hat hingegen nur 2 Prozent des Vermögens. Diesem Ungleichgewicht würde eine effektive Besteuerung von Vermögen entgegenwirken.
Das Prinzip der Leistungsfähigkeit
➕ Die Vermögenssteuer entspricht dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, welches sogar im Grundgesetz verankert ist. Das Vermögen erfüllt demnach diverse Funktionen wie Sicherheit, Unabhängigkeit, sozialer und wirtschaftlicher Einfluss, die eine eigene Leistungsfähigkeit des Vermögens begründen.
Wohlfahrtssteigerung
➕ Befürworter der Vermögenssteuer glauben, dass die Wiedereinführung der gesamten Wirtschaft hilft. Dadurch würde sich das Vermögen nicht zu sehr auf einige wenige konzentrieren, sondern wieder mehr für reale Investitionen genutzt. Dies stärke die Wirtschaft und die Arbeitsplätze. Zudem würde eine gerechtere Verteilung von Vermögen die Kaufkraft stärken – und das wiederum die Wirtschaft ankurbeln.
Kritik an der Vermögenssteuer
Doppelbesteuerung verfassungswidrig
➖ Die Vermögenssteuer ähnelt der Einkommensteuer. Durch sie werden bereits Zinsen, Mieten, Dividenden und ähnliche Erträge besteuert. Eine weitere Steuer auf das Vermögen wäre eine Doppelbesteuerung – und diese ist durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft.
Hoher Aufwand, geringer Ertrag
➖ Die Ermittlung der Vermögenssteuer wäre mit großem Aufwand seitens der Finanzverwaltung verbunden. Daher würden daraus erzielte Steuereinnahmen kaum im Verhältnis zu den Verwaltungskosten stehen. In der Vergangenheit betrugen die Kosten zur Erhebung der Steuer allein über 30 Prozent der Einnahmen daraus. Zudem würde die Vermögenssteuer die Bürokratie innerhalb der Unternehmen enorm steigern.
Ungleichbehandlung
➖ Die Vermögenssteuer behandelt nicht alle gleich: Altersersparnisse von Selbstständigen würden besteuert, Versorgungsansprüche von Arbeitnehmern und Beamten hingegen nicht.
Mehrbelastung für Mittelstand
➖ Besonders der deutsche Mittelstand fürchtet die Vermögenssteuer. Da bei dieser auch Immobilien und andere Betriebsmittel mit zum Vermögen eingerechnet werden, sind höhere Belastungen zu erwarten. Vor allem, wenn das Unternehmen noch keinen Gewinn erzielt hat, jedoch das vorhandene Vermögen zur Zahlung der Steuer führt, drohen Zahlungsengpässe oder gar Pleiten.
Wie realistisch ist die Wiedereinführung der Vermögenssteuer?
Seit der Abschaffung der Steuer gibt es Diskussionen über deren Wiedereinführung. Vor allem die Kassen der Bundesländer, denen zuvor die Einnahmen zuflossen, würden sich über eine Wiederbelebung der Einnahmequelle freuen.
Es gibt viele Gründe, die für – aber auch gegen – die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sprechen. Aktuell wären noch zu viele Fragen offen. Beispielsweise, für welches Vermögen die Steuer überhaupt gelten soll. Zudem wäre der Aufwand sowohl für Privatpersonen als auch Unternehmen nicht zu unterschätzen. Auch eine Vereinfachung des deutschen Steuersystems wäre damit in weiter Ferne.
Nicht zu vergessen die Arbeit der Finanzverwaltung: Zu aller erst müsste die Bewertung des Immobilienvermögens grundlegend reformiert werden. Denn der sogenannte Einheitswert, welcher heute noch Grundlage für die Grundsteuer ist, stammt tatsächlich noch aus dem Jahre 1964! Damit sind sie deutlich veraltet und weitaus geringer als die aktuellen Immobilienwerte.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese Bemessungsgrundlage in 2018 für verfassungswidrig erklärt. Doch eine neue Feststellung bedeutet einen sehr großen und langwierigen Aufwand. Aktuell wurde eine Reform der Grundsteuer bis zum Jahre 2025 angesetzt. Es bleibt spannend, ob das eingehalten werden kann.
Die Geschichte der Vermögenssteuer in Deutschland
Die Vermögenssteuer ist in Deutschland nichts Neues. Sie ist sogar eine der ältesten Steuern der Weltgeschichte, deren Wurzeln bis ins alte Ägypten reichen. Hierzulande wurde sie zuerst im Mittelalter einmalig, später dann regelmäßig erhoben, bis im 19. Jahrhundert schließlich die Einkommensteuer eingeführt wurde. Die Vermögenssteuer wurde daraufhin eine Ergänzungssteuer.
Steuersatz
Von 1923 bis 1996 wurde die Vermögenssteuer durchgängig erhoben.
- Zu Beginn lag der Steuersatz zwischen 0,1 und 1 Prozent.
- Ab 1978 betrug der Steuersatz 0,5 Prozent (0,7 Prozent für juristische Personen).
- Im Jahr 1995 wurde er auf 1 Prozent verdoppelt.
In den neuen Bundesländern wurde die Vermögenssteuer nicht erhoben. Trotzdem wurde sie in den alten Bundesländern auch nach der Wende erstmal nicht ausgesetzt. Das Aufkommen der Steuer wurde den Bundesländern zugewiesen.
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Steuereinnahmen
Viel Geld in die Kassen hat die Vermögenssteuer nie gespült. Sie hatte jedoch immer eine spürbare Bedeutung für den Haushalt.
- In den 1920er Jahren wurden damit 0,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) eingenommen.
- In den 50er und 60er Jahren verringerten sich die Einnahmen auf circa 0,4 Prozent des BIPs.
- In den 1980er Jahren sanken die Einnahmen weiter auf 0,3 Prozent des BIPS.
- In den 90er Jahren betrugen sie nur noch 0,2 Prozent.
Das Ende der Vermögenssteuer in Deutschland
Nach langjähriger Prüfung erklärte das Bundesverfassungsgericht 1995 die Vermögenssteuer als verfassungswidrig. Somit wurde sie Ende 1996 aufgehoben. Damit stuften die Karlsruher Richter jedoch nur die Form der Steuer als gesetzeswidrig ein, nicht aber die Versteuerung von vorhandenem Kapitalvermögen generell. Sie sahen lediglich eine ungerechtfertigte Besserstellung von Immobilienvermögen. Denn das war gegenüber anderem Kapitalvermögen günstiger gestellt.
Die Empfehlung des Bundesverfassungsgerichtes war daher, Immobilien höher zu bewerten und somit deren Besteuerung dem übrigen Kapitalvermögen anzupassen. Doch der Gesetzgeber machte kurzen Prozess und hob die Steuer ganz auf. Das Vermögenssteuergesetz ist jedoch bis heute gültig.