24. Juni 2025 von Hartmut Fischer
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Bundesverfassungsgericht: Zwangsräumung bei hochschwangerer Frau

Bundesverfassungsgericht: Zwangsräumung bei hochschwangerer Frau

© Tanyaporn Nakornchai / Vecteezy

24. Juni 2025 / Hartmut Fischer

Bei einer Zwangsräumung, bei der eine hochschwangere Frau mitbetroffen ist, muss ein Gericht besonders gewissenhaft arbeiten. Es muss sicherstellen, dass die Rechte auf körperliche Unversehrtheit und menschenwürdige Unterbringung für Mutter und Kind gewahrt werden. Stehen diese Rechte in Frage, muss die Zwangsräumung außer Kraft gesetzt werden. (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18.05.2025 – Aktenzeichen BvQ 32/25)

Zwangsvollstreckung bei hochschwangerer Frau

In dem Verfahren ging es um die Zwangsvollstreckung eines Räumungsvergleichs. Mieter war ein Ehepaar mit Kindern. Die Ehefrau war hochschwanger. Vier Tage nach der Zwangsräumung sollte eine Kaiserschnittgeburt durchgeführt werden.

Räumungsschutz vom Amtsgericht abgelehnt

Die Familie beantragte Räumungsschutz. Das zuständige Amtsgericht lehnte jedoch ab. Die Voraussetzungen nach § 765a Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung) waren nach Ansicht des Gerichts nicht erfüllt.

Gericht räumt Vermieterinteresse Vorrang ein

In der Ablehnung deutete das Amtsgericht an, dass es nicht davon überzeugt sei, ob eine Schwangerschaft bestand. Diese war von einem Krankenhaus bescheinigt worden. Insgesamt vertrat das Gericht die Meinung, dass eine erneute Schwangerschaft der Ehefrau im Hinblick auf die äußerst angespannte finanzielle Situation der Familie fahrlässig erscheine. Das Amtsgericht räumte dem Interesse des Vermieters an einer zügigen Räumung der Wohnung Vorrang ein. Es sei Aufgabe der Kommune, gegebenenfalls für die Familie eine Notunterkunft zur Verfügung zu stellen.

Bundesverfassungsgericht widerspricht Amtsgericht

Der Ablehnung des Amtsgerichts widersprach das Bundesverfassungsgericht. Es rügte, dass das Amtsgericht die Rechte der Antragsteller …

… auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz – GG) und
… auf eine menschenwürdige Unterbringung (Art. 1 Abs. 1 GG)

nicht ausreichend berücksichtigt hat. Das Amtsgericht habe die Abwägung zwischen dem Vermieterinteresse an der Räumung und dem Mieterinteresse auf Abwendung gesundheitlicher Gefahren für die hochschwangere Mutter nicht intensiv genug vorgenommen.

Vollstreckungsgericht hat gesundheitliche Aspekte sorgfältig zu klären

Das Bundesverfassungsgericht ging davon aus, dass eine naheliegende oder zumindest nicht auszuschließende Gefahr für Leben und Gesundheit einer hochschwangeren Mutter und ihres noch ungeborenen Kindes bestand. Darum hatte das Amtsgericht die gesamten Umstände und auch die drohenden Folgen sorgfältig aufzuklären und bei einer Entscheidung über einen Eilantrag zur Einstellung der Zwangsvollstreckung zu berücksichtigen.

Gericht muss städtische Unterbringungsmöglichkeit selbst prüfen

Das Amtsgericht habe auch zu berücksichtigen, ob und wie die Familie unmittelbar vor und nach der Geburt des Kindes untergebracht wird. Das Gericht müsse sorgfältig prüfen, ob die Möglichkeit einer Unterbringung der Familie in einer städtischen Notunterkunft tatsächlich besteht. Diese Unterbringung müsse den Bedürfnissen der hochschwangeren Mutter kurz vor der Entbindung und den Anforderungen an einen effektiven Gesundheitsschutz für das ungeborene Kind entsprechen.

Ernsthafte Gesundheitsgefahren vom Vollstreckungsgericht ignoriert

Im konkreten Fall drohten aus Sicht der Verfassungsrichter der Familie der Antragsteller bei Durchführung der Zwangsräumung ernsthafte Gefahren. Die Entscheidung des Amtsgerichts werde dem Recht der Mutter und des ungeborenen Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf eine angemessene Unterbringung nicht gerecht.

Insgesamt bewertete das Bundesverfassungsgericht die negativen Folgen für den Vermieter deutlich weniger schwerwiegend als die drohenden negativen Gesundheitsfolgen für die Mutter und das ungeborene Kind. Vor diesem Hintergrund gab das Bundesverfassungsgericht dem Antrag auf Eilrechtsschutz statt und setzte die Zwangsvollstreckung zunächst für längstens sechs Monate aus.


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