25. Januar 2020 von Hartmut Fischer
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Kein Wegerecht durch Gewohnheitsrecht

Kein Wegerecht durch Gewohnheitsrecht

25. Januar 2020 / Hartmut Fischer

Im Verhältnis einzelner Grundstücksnachbarn kann ein Wegerecht nicht aufgrund eines Gewohnheitsrechts durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung entstehen. Außerhalb des Grundbuchs kann ein Wegerecht nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB bestehen. So entschied der Bundesgerichtshof (BGH) am 24.01.2020 (Aktenzeichen V ZR 155/18).

Jahrzehntelang geduldet – nun untersagt

In dem Verfahren ging es um den Zugang zum rückwärtigen Teil von zwei Häusern, der nur über das Grundstück eines dritten Hauseigentümers möglich war. Die ehemaligen und auch der neue Eigentümer duldeten, dass die Nachbarn über sein Grundstück hinter ihre Häuser fahren konnten und so auch ihre – baurechtlich nicht genehmigten – Garagen erreichten. Zum 31.12.2016 kündigte der Inhaber des Zugangsgrundstück den „Leihvertrag über das vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht“. Gleichzeitig kündigte er an, eine Toranlage zu errichten. Mit dem Bau der Anlage wurde auch begonnen.

Die anderen Hauseigentümer klagten gegen das Vorgehen. Sie beriefen sich dabei auf ein nach Ihrer Meinung bestehendes Wegerecht. Hilfsweise machten Sie auch ein Notwegerecht geltend.

Land- und Oberlandesgericht: Gewohnheitsrecht besteht

Das Landgericht gab den Klägern recht. Es untersagte dem Beklagten ein Tor mit Schließanlage zu errichten und den Klägern den Zugang zu ihren Grundstücken zu verweigern. Auch in der Berufung vor dem Oberlandesgericht konnte sich der Beklagte nicht durchsetzen. Hier stellte das Gericht fest, dass die Kläger ein Gewohnheitsrecht in Anspruch nehmen könnten und deshalb weiter den Zugang über das Nachbargrundstück nutzen könnten.

Bundesgerichtshof: Kein Gerwohnheitsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das angefochtene Urteil im Revisionsverfahren jedoch aufgehoben. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Kläger können sich NACH Ansicht des BGH nicht auf ein Gewohnheitsrecht berufen. Ein Gewohnheitsrecht entstehe grundsätzlich durch längere tatsächliche Übung. Diese Übung müsse dauernd, ständig, gleichmäßig und allgemein sein. Außerdem müsse sie von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt werden. Das Gewohnheitsrecht müsse allerdings kein „Jedermann-Recht“ sein, sondern könnte durchaus örtlich und auf bestimmte Personengruppen begrenzt sein.

In einem konkreten Rechtsverhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn könne aber ein Wegerecht außerhalb des Grundbuchs nur aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarung oder als Notwegrecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen, nicht aber durch eine – sei es auch jahrzehntelange – Übung unter Grundstücksnachbarn.


§ 917 BGB (Auszug):
(1) Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden. Die Richtung des Notwegs und der Umfang des Benutzungsrechts werden erforderlichenfalls durch Urteil bestimmt.

(2) Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen. …


Notwegerecht muss geprüft werden

Da keine schuldrechtliche Vereinbarung bestehe und auch keine Grundbucheintragung vorliege, müsse das Oberlandesgericht nun prüfen, ob den Klägern gemäß § 917 Abs. 1 BGB ein Notwegerecht zusteht.

Dies wäre der Fall, wenn die ordnungsmäßige Benutzung ihrer Grundstücke eine Zufahrt über die Grundstücke der Beklagten erforderlich machte. Soweit die Grundstücke nur zu Wohnzwecken genutzt werden, wird ein Notwegrecht allerdings schon deshalb ausscheiden, weil die im hinteren Bereich der Grundstücke der Kläger befindlichen Garagen baurechtlich nicht genehmigt und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähig sind.

Soweit die Grundstücke gewerblich genutzt werden, kommt ein Notwegrecht hingegen grundsätzlich in Betracht, da bei einem Gewerbegrundstück etwa Be- und Entladevorgänge sowie das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem verbindungslosen Grundstücksteil für die ordnungsmäßige Benutzung erforderlich sein und damit für diesen Teil eine Zufahrt erforderlich machen können.

 

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