Keine Widerrufsbelehrung: keine Zahlungspflicht des Kunden

Keine Widerrufsbelehrung: keine Zahlungspflicht des Kunden
© Yuliia Kaveshnikova / Vecteezy
Ein Verbraucher hat nach EU-Richtlinien Anspruch auf Widerrufsfristen. Hat ein Unternehmer beim Verbraucher keine Widerrufsbelehrung durchgeführt, läuft er Gefahr, dass er bei einem Widerruf leer ausgeht. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.5.2023 (Aktenzeichen C 97/22) muss der Verbraucher bei fehlender Widerrufsbelehrung nicht zahlen. Der Unternehmer muss die gesamten Kosten tragen, die bereits während der Widerrufsfrist entstanden sind.
Keine Widerrufsbelehrung erfolgt
In dem Verfahren ging es um die Erneuerung einer Elektroinstallation in einem Wohnhaus. Das Handwerksunternehmen hatte es versäumt, den Kunden auf dessen Widerrufsrecht hinzuweisen. Der Vertrag wurde außerhalb der Geschäftsräume geschlossen. Der Kunde hat dann ein Widerrufsrecht von 14 Tagen zu (§ 355 BGB).
Bei fehlender Widerrufsbelehrung längere Widerrufsfrist
Nachdem der Unternehmer die vereinbarten Leistungen erbracht hatte, präsentierte er dem Kunden die Rechnung. Diese lehnte es aber ab, die Rechnung zu bezahlen. Er widerrief den Vertrag. Dabei machte er geltend, dass das Unternehmen keine Widerrufsbelehrung vorgenommen habe und die Arbeiten innerhalb der Widerrufsfrist ausgeführt wurden. Die Widerrufsfrist von 14 Tagen verlängert sich um ein Jahr, wenn der Kunde eine nicht ausreichende oder keine Widerrufsbelehrung erfolgt (§ 356 BGB).
Es kam zum Rechtsstreit, bei dem das zuständige Gericht klarstellte, dass der Verbraucher für keine Leistungen aufkommen muss, die vor Ablauf der Widerrufsfrist erbracht wurden, wenn nicht ausreichend oder gar nicht auf das Widerrufsrecht hingewiesen wurde.
Allerdings war sich das Gericht unsicher, ob der Unternehmer überhaupt keine Ansprüche mehr geltend machen kann. Ihm ging es dabei um die Frage, ob es sich um eine ungerechtfertigte Bereicherung handelt, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht erst nach Erfüllung des Vertrags ausübt. Diese Frage legte das Gericht dem Europäischen Gerichtshof vor.
Der Gerichtshof stellte in seiner Entscheidung klar, dass bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag für den Unternehmer kein Anspruch auf Vergütung besteht, wenn er nicht ausreichend oder gar nicht auf das Widerrufsrecht des Kunden hingewiesen hat.
Europäischer Gerichtshof: Widerrufsbelehrung stärkt den Verbraucherschutz
Der Europäische Gerichtshof stellte in seiner Begründung klar: Das Widerrufsrecht schützt den Verbraucher insbesondere, wenn der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird. In dieser Situation könnte der Verbraucher eventuell psychisch stärker unter Druck stehen oder vielleicht auch einem Überraschungsmoment ausgesetzt sein. Deshalb ist die Information über das Widerrufsrecht von grundlegender Bedeutung.
Bezüglich der Frage des durch die erledigten Arbeiten entstandenen Vermögenszuwachses und des in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Verbots der ungerechtfertigten Bereicherung verwies das Gericht auf die Richtlinien, die ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellen sollen. Dieses Schutzniveau sei aber gefährdet, wenn Kosten auf den wieder rufenden Verbraucher zukommen könnten, die die entsprechende EU-Richtlinie nicht vorsieht.
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