5. Februar 2020 von Hartmut Fischer
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Keine Eigen­bedarfs­kündigung bei Großneffen oder -nichten

Keine Eigen­bedarfs­kündigung bei Großneffen oder -nichten

5. Februar 2020 / Hartmut Fischer

Eine Eigenbedarfskündigung zu Gunsten von Großneffen oder -nichten ist normalerweise unzulässig. Lediglich wenn zwischen Wohnungseigentümer und seinen Großneffen oder -nichten ein herausgehobenes Näherverhältnis besteht, kann die Eigenbedarfskündigung im Ausnahmefall erlaubt sein. Dieses Näheverhältnis muss aber über die engen Familienbande hinausgehen. Das entschied das Amtsgericht Fürstenfeldbruck in einem Urteil vom 09.08.2019 (Aktenzeichen 5 C 364/19).


§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen.
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
  1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
  2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
  3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; die Möglichkeit, durch eine anderweitige Vermietung als Wohnraum eine höhere Miete zu erzielen, bleibt außer Betracht; der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will.
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.


In dem Verfahren ging es um eine Eigenbedarfskündigung, die der Vermieter zugunsten seines Großneffen ausgesprochen hatte. In der Begründung zur Kündigung stellte der Vermieter heraus, dass ein enges Familienverhältnis zu dem Großneffen bestehe. Es käme beispielsweise rund zehn Mal im Jahr auf Familientreffen zu Kontakten. Außerdem unternehme man gemeinsam eine Bildungsreise im Jahr. Der Großneffe wohnte zu diesem Zeitpunkt noch bei seinen Eltern. Der Mieter wollte die Kündigung nicht anerkennen. Daraufhin klagte der Vermieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Das zuständige Amtsgericht in Fürstenfeldbruck gab der Klage jedoch nicht statt. Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam, da der Großneffe keine geeignete Person darstelle, für die eine Eigenbedarfskündigung möglich wäre. Der Großneffe gehöre nicht zur Kernfamilie oder zum engeren Familienkreis. Um eine Eigenbedarfskündigung zu rechtfertigen, sei über die verwandtschaftliche Beziehung hinaus ein nachweislich besonders enger sozialer Kontakt zum Vermieter notwendig. Darüber hinaus wäre eine Eigenbedarfskündigung denkbar, wenn eine persönliche Verbundenheit vorliege, aus der sich eine moralische oder sittliche Verpflichtung ergäbe, den Wohnbedarf des Großneffen zu decken. Ein besonderes, herausgehobenes Näheverhältnis über die engen Familienbande hinaus sei in diesem Fall eine zwingende Voraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung.

Ein so enges Verhältnis zwischen Vermieter und seinem Großneffen liege hier aber nicht vor. Die von dem Vermieter angeführten Kontakte reichten nicht aus, um von einer moralischen Verpflichtung des Vermieters zu sprechen, aus der sich die Verpflichtung ergebe, den Großneffen mit Wohnraum zu versorgen. Das Gericht erkannte zwar, dass ein enger und herzlicher Kontakt innerhalb der ganzen Familie und damit auch zum Großneffen bestehe. Diese Bindung zum Großneffen rechtfertige aber noch keine Eigenbedarfskündigung.

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