8. Juni 2022 von Hartmut Fischer
Teilen

BGH entscheidet gegen Häuslebauer

BGH entscheidet gegen Häuslebauer

© nitpicker / shutterstock

8. Juni 2022 / Hartmut Fischer

Eine „bittere Pille“ kann Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) für Häuslebauer sein, die mit ihrem Architekten vor 2021 einen Pauschalvertrag abgeschlossen haben. Nach der Entscheidung des Gerichts können die Architekten noch Nachforderungen stellen. (Urteil vom 02.06.2022 – Aktenzeichen VII ZR 174/19).

horrende nachforderung des architekturbüros

Auslöser des Verfahrens war die Klage eines Ingenieurbüros, das von einem Unternehmen für wirtschaftliche Immobilienentwicklung eine kräftige Nachzahlung verlangte. Architekturbüro und Unternehmen schlossen am 02.06.2016 einen Ingenieurvertrag. Danach hatte das Büro einzeln aufgelistete Leistungen zu erbringen, für die ein Pauschalhonorar von 55.025 € gemäß § 55 der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) in der Fassung vom 10.07. 2013 vereinbart wurde. In dieser Fassung der HOAI waren auch Mindesthonorare für einzelne Arbeiten festgeschrieben.  Aufgrund von Abschlagszahlungen erhielt das Büro insgesamt 55.395,92 €.

Das Architekturbüro kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 02.06.2017. In einer Schlussabrechnung rechnete das Büro im Juli 2017 seine erbrachten Leistungen auf Grundlage der Mindestsätze gemäß §§ 55, 56 HOAI ab. Da die Mindestsätze der HOAI angewandt wurden, ergab sich ein sehr viel höherer Betrag als das vereinbarte Pauschalhonorar.

In der Klage machte das Büro nach Abzug der geleisteten Zahlungen und eines Sicherheitseinbehaltes aus der Schlussrechnung noch offene Restforderung in Höhe von 102.934,59 € brutto nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.

Landgericht gibt Architekturbüro weitgehend recht

Das Landgericht verurteilte das beklagte Unternehmen zur Zahlung von 100.108,34 € nebst Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte mit Teilverzichts- und Schlussurteil zur Zahlung von 96.768,03 € nebst Zinsen verurteilt.  Das verurteilte Unternehmen ging nun in Revision vor den BGH, um die vollständige Klageabweisung durchzusetzen.

BGH erklärt Forderung nach Rücksprache mit dem EuGH berechtigt

Doch auch hier unterlag das Unternehmen. Die Richter am BGH hatten die Angelegenheit dem Europäischen Gerichts­hof (EuGH) vorgelegt. Der EuGH hatte nämlich die HOAI von 2013 für europarechtswidrig. Diese Regelung behindere andere Anbieter aus der EU. Sie könnten preislich nicht konkurrieren, was eine Niederlassung in Deutschland behindere.  Darum gilt ab 2021 die neue HOAI. Sie schreibt keine Mindest- und Höchst­sätze vor. Stattdessen werden nur noch Empfehlungen ausgesprochen.

Im vorliegenden Fall entschied der EuGH jedoch überraschend, dass die Honorar­ordnung von 2013 bei Streitig­keiten zwischen Privat­leuten – also zum Beispiel Architekt und Häusleb­auer – weiter angewendet werden kann. Die von der EU festgelegten Vorgaben gelten danach nur für den Staat und hätten keine direkten Auswirkungen auf Privatpersonen. Das Urteil gilt deshalb nur für Verträge, die vor 2021 abgeschlossen wurden.

folgen für Privatinvestoren noch nicht absehbar

Welche Auswirkungen die Entscheidung des BGH auf private Häuslebauer hat, ist noch offen. Sollte es zu gerichtlich festgelegten Nachzahlungen kommen, könnten Privatleute allerdings nach Meinung des Verbandes Privater Bauherren einen europa­rechtlichen Schadens­ersatz­anspruch haben, der sich dann gegen die Bundesrepublik Deutschland richtet. Allerdings besteht bei Experten keine Einigkeit über die Frage, ob eine entsprechende Klage gegen den Bund Erfolg haben würde.

 

immo:News abonnieren
Nutzen Sie unseren Informations-Service und erhalten Sie kostenlose Produktinformationen aus erster Hand, exklusive Aktionsangebote, Tipps, Tricks und aktuelle Urteile rund um das Thema Vermietung.