26. April 2023 von Hartmut Fischer
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Gutachten: Grundsteuer verfasssungswidrig

Gutachten: Grundsteuer verfasssungswidrig

© microstock3D / Shutterstock

26. April 2023 / Hartmut Fischer

Ein vom Bund der Steuerzahler Deutschland (BdSt) und vom Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V. („Haus und Grund“) in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass das Bundesmodell für die neu einzuführende Grundsteuer nicht verfassungskonform ist. „Haus und Grund“ und der Bund der Steuerzahler planen nun Musterprozesse anzustrengen.

verbände planen musterklagen

Das Gutachten wurde von Professor Dr. Gregor Kirchhof angefertigt. Das Papier des Juraprofessors der Universität Augsburg bildet die Grundlage für die geplanten Musterprozesse. Die Musterklagen richtet sich gegen das Bundesmodell, das in insgesamt elf Bundesländern eingeführt werden soll. Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Hessen, Sachsen, Niedersachsen und Hamburg haben sich für abweichende Modelle entschieden.

grundsteuer zu kompliziert, intransparent und ungerecht

Geplant sind Musterprozesse in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin stellten BdSt-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Dr. Kai H. Warnecke fest: „Es ist offensichtlich, dass die neue Grundsteuer so nicht funktioniert und am Ende zu deutlichen Mehrbelastungen führt“. Das Gesetz sei zu kompliziert, intransparent und ungerecht!

Gutachten: Grundsteuergesetz nicht neu genug

In seinem Gutachten stellt Professor Kirchhof fest, dass der Bund seine Gesetzgebungskompetenz bereits problematisch genutzt habe. Der Bund ging von Kompetenzschranken aus, die nach der Verfassungsreform im Herbst 2019 gar nicht mehr bestanden. Daher hätte er nicht so stark an seinem alten Grundsteuergesetz festhalten dürfen. „Ein erheblicher kompetenzrechtlicher Konstruktionsfehler“, betont Prof. Dr. Kirchhof. Im Klartext: Das neue Grundsteuergesetz des Bundes ist nicht neu genug!

Kritik 1: orientierung am wert von grund und Boden

Zusammen gefasst ergeben sich die folgenden Hauptkritikpunkte:

Das Bundesmodell orientiert sich am Wert von Grund und Boden, was einen strukturellen Eingriff in den Bereich der Vermögen- und Einkommensteuer bedeutet. Damit wird kein eigenes Grundsteuer-Bewertungssystem eingeführt, was vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Wenn der Bund die Bemessung der Grundsteuer an den Verkehrswerten und damit an möglichen Verkaufserlösen ausrichtet, rückt er die Steuerbemessung in die Nähe der Einkommensteuer, obwohl sich die Einkommen- und die Grundsteuer – von der Verfassung her – unterscheiden müssen.

kritik 2: „systematische Bewertungslücken“ bei bodenrichtwerten

Die Bodenrichtwerte weisen „systematische Bewertungslücken“ auf. Die strikte Anwendung der Bodenrichtwerte stellt einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes dar. Beispiel Berlin: Die begehrte Wohnlage Wannsee hatte zum 01.01.2022 einen Bodenrichtwert von 1.500. In der weniger attraktiven Lage Neukölln ist der Wert mehr als doppelt so hoch: 3.200!

Kritik 3: Komplexe bewertung nur schwer anwendbar

Der Bund hat eine äußerst komplexe Bewertung entwickelt, die im Massen-Verfahren nur schwer anwendbar ist. Das Recht ist nun deshalb so kompliziert, weil der Bund Kompetenzschranken eingehalten hat, die nach der Verfassungsreform im Jahr 2019 nicht mehr bestanden. Somit belastet das Bundesrecht die vielen Grundsteuerpflichtigen – ohne Grund – mit zu aufwendigen Mitwirkungspflichten. Das verletzt die Grundrechte!

kritik 4: maßgebliche Parameter ausser Acht gelassen

Individuellen öffentlich-rechtlichen Merkmale und privatrechtliche Vereinbarungen und Belastungen werden bei der Bewertung der Grundstücke nicht berücksichtigt (z. B.: Baulasten, Denkmalschutz-Auflagen, Immissionen, Baumängel oder ein besonders guter Erhaltungszustand).  Maßgebliche Parameter werden außer Acht gelassen. Das ist gleichheitswidrig. Der Grund der Belastung ist nicht erkennbar geregelt. Es wird versuch, den Wert von Grund und Boden grob zu ermitteln. Doch Immobilienwerte müssen entweder anhand zahlreicher Kriterien genau bewertet oder in einfachen, gleichheitsgerechten Pauschalierungen steuerlich bemessen werden. Das Bundesgesetz wählt aber einen verfassungswidrigen Mittelweg.

kritik 5: Es droht eine Rechtsschutzlücke

Wie sehr die Grundstückseigentümer tatsächlich belastet werden, steht erst fest, wenn die Gemeinden über die Hebesätze entschieden haben. Dann werden die meisten Grundlagen-Bescheide aber schon bestandskräftig sein. Dadurch droht eine Rechtsschutzlücke! Dennoch ist schon jetzt klar: Die Bewertung nach dem Bundesmodell verursacht strukturell eine mehr als doppelt so hohe finanzielle Belastung der Betroffenen im Vergleich zu den einfacheren Modellen in Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.

empfehlung: Länderlösung statt Bundesmodell

Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass das Grundsteuergesetz des Bundes insgesamt einen steuerlichen Sonderweg geht, der das Grundgesetz verletzt. Die elf Bundesländer, die das Bundesgesetz anwenden, müssen nach Meinung des Gutachters die Zeit bis 2025, in dem die neue Grundsteuer zum ersten Mal erhoben wird, nutzen, um das Gesetz zu überarbeiten. Den Ländern, die das Bundesmodell nutzen, empfiehlt Prof. Dr. Gregor Kirchhof sich für ein Grundsteuersystem der Länder Bayern, Hamburg, Hessen oder Niedersachsen entscheiden. Die notwendigen Daten sind vorhanden, der Vollzug ist weitgehend vorbereitet.

Die klare und einfach anzuwendenden Landesgesetze entlasten alle Betroffenen – die Finanzverwaltung, die Gerichte, die Steuerberater und die Steuerzahler. 

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