29. September 2015 von Hartmut Fischer
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Mieteranwalt als Erpresser?

Mieteranwalt als Erpresser?

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29. September 2015 / Hartmut Fischer

Ein Anwalt hat die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Doch auch dieser Auftrag hat seine Grenzen, wie das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt zeigt. Es sah in dem Vergleichsangebot des Anwalts einer säumigen Mieterin einen Erpressungsversuch.

Der Vermieter hatte wegen der Mietrückstände die fristlose Kündigung ausgesprochen. Daraufhin schickte der Anwalt dem Vermieter einen Vergleichsvorschlag. Um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu umgehen, schlug er vor, dass der Vermieter auf alle Forderungen gegenüber seiner Mandantin verzichten solle. Außerdem sollte der Vermieter die Maklercourtage und die Kaution auszahlen – insgesamt über 8.000,00 €. Unter diesen Voraussetzungen sei seine Mandantin bereit, sofort aus der Wohnung auszuziehen.

Der Vermieter wollte das Haus verkaufen. Hätte er sich auf einen Mietprozess eingelassen, bestand für ihn die Gefahr, dass ein bereits gefundener Kaufinteressent das Interesse verlieren würde. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund – der sowohl der Mieterin als auch dem Anwalt bekannt war – stimmte der Vermieter zu. Nachdem die Mieterin ausgezogen war, wurde der Vergleich jedoch vom Vermieter angefochten.

Die Richter des Oberlandesgerichts Frankfurt stellten sich hinter den Vermieter. In ihren Augen handelte es sich im vorliegenden Fall um die vorsätzliche Beteiligung an einer Erpressung, für die Mieterin und Anwalt gesamtschuldnerisch haften. Der Anwalt wendete hiergegen ein, dass die Drohung, einen Räumungsprozess durchzuführen, doch letztlich nur einen Rechtsweg beschreibe, den seine Mandantin legaler Weise nutzen durfte.

Die Richter sahen das anders und stellten in Ihrem Urteil fest:

„Die Forderung unstreitig nicht geschuldeter Vermögensvorteile als Voraussetzung für die unstreitig geschuldete Räumung und Herausgabe eines Mietobjekts kann eine Erpressung des Vermieters durch den Mieter sowie seine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begründen. Die aufgrund dessen getroffene Vereinbarung über die Gewährung der geforderten Vermögensvorteile kann wegen widerrechtlicher Drohung anfechtbar sein, wenn durch die Ankündigung, das Mietobjekt ansonsten nicht herauszugeben, für den Vermieter eine Zwangslage geschaffen wurde. Das Verfassen des Anwaltsschreibens, in dem die unberechtigte Forderung erhoben wird, kann als Beteiligung des Rechtsanwalts an dieser Handlung und demzufolge zu seiner Mithaftung auf Erstattung der seitens des Mieters erlangten Vermögensvorteile führen.“

Das Gericht verurteilte den Anwalt auf Schadenersatz wegen Beteiligung an der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung in Gestalt einer Erpressung seitens der Mandantin des Anwalts.

 (Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 10.06.2015 – Aktenzeichen 2 U 201/14)

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