19. Januar 2023 von Hartmut Fischer
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Neues Urteil zur Räum- und Streupflicht

Neues Urteil zur Räum- und Streupflicht

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19. Januar 2023 / Hartmut Fischer

Die Nahezu alle Kommunen haben die Räum- und Streupflicht auf die Anlieger abgewälzt. Diese wiederum können den Räum- und Streudienst auf die Mieter übertragen – bleiben aber bei Schäden durch ungenügendes oder nicht durchgeführtes Räumen/Streuen in der Verantwortung. Umstritten ist aber immer die Frage, wann man streuen oder räumen muss. In diesem Zusammenhang fällte das Kammergericht Berlin am 06.12.2022 ein interessantes Urteil (Aktenzeichen 21 U 56/22).

Allgemeine Regeln

Die kommunalen Behörden bestimmen in Verordnungen, wann geräumt und gestreut werden muss. Die Regelungen sind unterschiedlich. In den meisten Fällen wird verlangt, dass die Arbeiten ab 07:00 Uhr bis 20:00 Uhr durchgeführt werden müssen. Aber auch früher oder länger kann die Verpflichtung auferlegt werden. Für die Wochenenden gelten häufig abweichende Regeln.

Der besondere Fall: Lokale Glätte

Dass bei allgemeiner Glättegefahr die Räum- und Streupflicht besteht, ist unbestritten. Wie sieht es aber aus, wenn es nur in einem lokalen Bereich zur Glätte kommt? Mit dieser Frage befasste sich das Berliner Kammergericht.

Sturz auf dem Klinikgelände

In dem Verfahren ging es um die Schmerzensgeldforderung einer Frau, die gegen 11:00 Uhr auf einem Klinikgelände wegen Glatteis ausrutschte. Sie zog sich bei dem Sturz eine schwere Sehnenverletzung (Quadrizepssehnenruptur) am rechten Bein zuzog. Das gesamte Gelände war nicht abgestreut worden. Die Frau verlangte ein Schmerzensgeld von 20.000 € und verklagte sowohl die Klinik, als auch die von der Klinik für den Winterdienst beauftragte Firma.

Landgericht spricht Klinik frei

Das Landgericht Berlin sah die Klinik nicht in der Verantwortung. Haften könne allein die mit dem Winterdienst beauftragte Firma. Im vorliegenden Fall hafte aber auch das Unternehmen nicht, da die Klägerin nicht nachwies, dass am Unfalltag eine allgemeine Glätte in Berlin bestand. Die Firma hätte keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, aus der auf eine Gefahr aufgrund lokaler Glatteisbildung geschlossen werden konnte. Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Kammergericht: Schmerzensgeldanspruch besteht

Die Frau hatte vor dem Kammergericht Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Unternehmen der Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. Ob eine allgemeine Glättegefahr bestand, spielte hier keine Rolle. Wie die Beweisaufnahme ergab, bestand bereits seit ca. 09:00 Uhr auf dem Klinikgelände Glättegefahr. Daher musste die Firma spätestens ab 10:00 Uhr streuen. Auch die Klinik sprach das Gericht nicht von einer Mitschuld frei.

Klinik doch mitverantwortlich

Man kann grundsätzlich nicht verlangen, dass alle im Verantwortungsbereich der Firma liegenden Flächen kontrolliert werden, wenn keine allgemeine Glätte besteht. Im vorliegenden Fall musste die Klinik jedoch spätestens eine Stunde nach Einsetzen der Glätte reagieren. Dass Gericht billigte der Klägerin ein Schmerzensgeld von 5.000 € zu.


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