17. März 2017 von Hartmut Fischer
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Räumungsklage bei vorliegenden Härtegründen

Räumungsklage bei vorliegenden Härtegründen

17. März 2017 / Hartmut Fischer

Werden im Rahmen einer Räumungsklage vom Mieter Härtegründe vorgetragen, muss das Gericht diese genau prüfen und im Zweifelsfall auch Gutachter einsetzen. Dies stellte der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 15.03.2017 fest (Aktenzeichen VIII ZR 270/15).

In dem Verfahren ging es um eine Wohnung, die der Vermieter mit einer darüber liegenden Wohnung verbinden wollte, um mehr Wohnraum für seinen Sohn zu schaffen, der die obenliegende Wohnung bewohnte. Darum kündigte der Vermieter seinem Mieter.

Das Mieterehepaar widersprach der Kündigung und argumentierte, dass zur Erweiterung der Wohnung, die vom Sohn des Mieters bewohnt wurde, auch die Dachgeschosswohnung genutzt werden könne. Außerdem führten sie aus, dass der Ehegatte neben anderen Gesundheitsschäden auch an einer beginnenden Demenz leide. Die Demenz könne durch einen Auszug verschlimmert werden. Bei Verlust der Wohnung müsse man unweigerlich in ein Pflegeheim umziehen. Dies lehnte die Gattin des Demenzkranken jedoch ab. Der Streit sollte nun von den Gerichten geklärt werden.

Inzwischen verstarb der Vermieter und der Sohn trat in diese Funktion ein. Er verfolgte als neuer Vermieter die Räumungsklage weiter. die Mieter Hier hatten zunächst die Vermieter Erfolg. Sowohl das zuständige Amtsgericht als auch die Berufungsinstanz waren der Meinung, dass die Mieter keine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 BGB verlangen könnten.

Rechtliches

§ 574 BGB: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung
(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.
(3) Bei der Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters werden nur die in dem Kündigungsschreiben nach § 573 Abs. 3 angegebenen Gründe berücksichtigt, außer wenn die Gründe nachträglich entstanden sind.
(4) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

Das Gericht glaubte den Mietern zwar die vorgetragenen Härtegründe. Diese wogen aber nach Haus für die Größe seiner Familie (zwei Kinder) angemessenen Wohnraum zu schaffen. Der Vermieter müsse sich auch nicht auf die Dachwohnung verweisen lassen.

Im Rahmen der Revision vor dem Bundesgerichtshof nahmen die Richter ausführlich zum § 574 Abs. 1 BGB Stellung.  So stellte das Gericht fest, dass sich die Richter grundsätzlich ein eigenes Bild von vorgetragenen Härtegründen machen müssen, wenn das Gericht die vorgetragenen Härtegründe für wahr hält, eine fehlende Prüfung durch das Gericht aber zu Lasten des Mieters ausfalle.

Damit widersprach das Gericht in diesem Fall den sogenannten Beibringungsgrundsatz. Dieser besagt, dass in einem Zivilprozess nur das gewertet wird, was von den streitenden Parteien vorgetragen wird. Die Richter unterstrichen, dass die Gerichte verfassungsrechtlich verpflichtet seien, gehalten seien, die Vorträge besonders genau zu prüfen. Dabei müssten die eventuellen Gefahren sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn mit schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar Lebensgefahr bestehen könnten. Dies müsse, wenn notwendig, auch gutachterlich geprüft werden. Diese Prüfung sei von den Gerichten nicht ausreichend durchgeführt worden. Darum hob der BGH die vorinstanzlichen Entscheidungen auf und verwies das Verfahren an die Vorinstanzen zurück.

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