16. Juni 2021 von Hartmut Fischer
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Wenn die Äste überm Nachbargrundstück hängen

Baumbeschnitt

Wenn die Äste überm Nachbargrundstück hängen

© Blaze 986 / Shutterstock.de

16. Juni 2021 / Hartmut Fischer

Immer wieder kommt es zum Streit zwischen Nachbarn, wenn die Äste eines Baumes über die Grenze auf das Nachbargrundstück ragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) räumte dem Eigentümer, auf dessen Grundstück die Äste ragen, unter Umständen das Recht ein, diese Äste zu entfernen – selbst dann, wenn dadurch der Baum eingehen könne. Dies gelte allerdings nur für Bäume, die unter keinem besonderen Schutz stünden – beispielsweise durch eine Baumschutzsatzung. (Urteil vom 11.06.2021 – Aktenzeichen V ZR 234/19)


Hier können Sie das Orignal-Urteil nachlesen


Nachbar griff zur Selbsthilfe

Der BGH hatte in dem Verfahren über das Schicksal einer 40 Jahre alten Schwarzkiefer zu entscheiden. Der mächtige Baum ragte mit seiner breiten Krone bereits seit mindestens zwei Jahrzehnten über dem Nachbargrundstück. Der Nachbar war darüber verärgert. Er müsse jeden Monat die Nadeln und Zapfen des Baumes beseitigen. Darum forderte er den Bauminhaber mehrmals auf, den Baum zurückzuschneiden. Als dieser nicht reagiert, griff er zur Selbsthilfe und stutzte den Baum mit eine Astschere zurecht.

Amts- und Landgericht: Pro Baum

Der Baumeigentümer wollte sich das nicht gefallen lassen und verklagte den „Baumstutzer“. Sie befürchteten, dass durch den Rückschnitt die Standsicherheit der Kiefer gefährdet sei. Sowohl das Amtsgericht Pankow/Weißensee als auch das Landgericht Berlin stellten sich hinter den Bauminhaber.

BGH hebt entscheidung auf

Doch der BGH hob die Vorentscheidungen auf. Zunächst verwies es auf seine Entscheidung vom 14. Juni 2019 (Aktgenzeichen V ZR 102/18). Bereits damals hatten die Richter im Fall einer Douglasie entschieden, dass der durch überhängende Äste belästigte Nachbar die Zweige abschneiden und auch behalten dürfe, wenn er durch den Überhang in der Nutzung seines Grundstücks eingeschränkt würde. Deshalb sei nun lediglich darüber zu entscheiden, ob diese Regelung auch gelte, wenn dadurch das beschnittene Gewächs gefährdet würde. Um dies zu klären, verwies das Gericht den Fall an das Landgericht Berlin zurück.

Dort solle man klären, ob der belästigte Grundstückseigentümer durch die ausladend gewachsene Kiefer in der Nutzung seines Grundstücks beeinträchtigt würde. In der Urteilsverkündung stellte die vorsitzende Richterin Christina Stresemann fest, dass der Verdacht nahe liege, dass es zu Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks komme. Die Nutzung des Grundstücks könne durch Laub, Nadeln, Zapfen und Schatten beeinträchtigt werden. Sei dies der Fall, dürfe der Nachbar den Baum beschneiden.

Baumschutzordnung kann beschnitt verhindern

Allerdings müsse zunächst geklärt werden, ob beispielsweise eine kommunale Baumschutzordnung die Stutzung des Baumes verbiete. Dies sei vom Landgericht Berlin zu klären. Endgültige Aussagen hierzu konnten vor dem BGH nicht gemacht werden.

BGH gibt zu: Ein hartes Urteil

Das Gericht gab zu, dass das Urteil äußerst hart wirke. Es sei aber unumgänglich, da der Eigentümer des Baumes dafür zu sorgen habe, dass dieser mit seinen Ästen nicht bis auf das Nachbargrundstück reiche. Käme der Baumeigentümer dieser Pflicht nicht nach, müsse der Belästigte das Recht haben, zur Astschere und Säge zu greifen. Ansonsten würde das Recht zur Selbsthilfe ins Leere laufen.

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