26. Juni 2017 von Hartmut Fischer
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Wenn Kinder musizieren

Wenn Kinder musizieren

26. Juni 2017 / Hartmut Fischer

Über die Frage, ab wann die Geräusche musizierender Kinder eine Lärmbelästigung darstellen, entschied das Amtsgericht München in einem Urteil vom 29.03.2017 (Aktenzeichen 171 C 14312/16). Die Messlatte wurde vom zuständigen Richter recht hoch angelegt. 

In dem Verfahren stritten sich zwei Nachbarn. Der eine warf dem anderen vor, dass dessen Kinder auch während der Ruhezeiten mit ihren Instrumenten (Schlagzeug, Tenorhorn und Saxofon) derart laut musizierten, dass Werte von weit mehr als 55 Dezibel, manchmal sogar bis 70 Dezibel, erreicht würden.

Die Kläger bewohnen ihr Haus in der Regel alleine. Die Beklagten bewohnen ihr Haus mit ihren vier minderjährigen Kindern. Die Kinder des beklagten Ehepaares spielen seit Jahren regelmäßig oben benannte Musikinstrumente. Die bei den Klägern eintreffende Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB. Vor Gericht wollte er durchsetzen, dass das Musizieren insoweit eingeschränkt würde, dass die Nutzung seines Grundstücks nicht, wie von ihm behauptet, wesentlich beeinträchtigt würde.

Der Nachbar, dessen Kinder musizierten, wies die Vorwürfe von sich. Er verwies darauf, dass Türen und Fenster geschlossen bleiben, wenn die Kinder übten. Den von seinem Nachbarn angegebenen Lärmpegel bestritt er.

Der Kläger konnte sich vor Gericht nicht durchsetzen. Anhand des vorgelegten Lärmprotokolls stellte der Richter fest, dass es nur eine minimale Anzahl von Verletzungen der Ruhezeiten vorlagen. Deshalb ging das Gericht davon aus, dass normalerweise die Ruhezeiten eingehalten wurden. Hier berücksichtigte das Gericht, dass die Lärmverursacher minderjährig waren. Es wurde hierzu festgestellt, dass es normal sei, dass Kinder Grenzen überschritten und aus den daraus resultierenden Konsequenzen lernten.

In seiner Begründung stellte das Gericht fest, dass Musik erst dann zum Lärm würde, wenn es nur noch darum ginge, Geräusche zu produzieren. Deshalb wurde auch der Lärmpegel nicht durch einen Gutachter überprüft. Bei einem Lokaltermin stellte der Richter zwar fest, dass das Schlagzeug auch bei geschlossenem Fenster zwar deutlich zu hören sei, aber die Geräusche nicht die Grenze des Zumutbaren überschritten.

Außerdem führte das Gericht in seiner Begründung aus: „Bei der hier vorzunehmenden Güterabwägung sind auch die Vorgaben der Verfassung, hier insbesondere Artikel 6 GG zu berücksichtigen. Die gesunde Entwicklung junger Menschen steht unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Die Gesellschaft hat sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher kommt der zuständige Richter vorliegend zu der Überzeugung, dass dem Interesse der Kinder der Beklagten an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen ist.“

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 29.03.2017 – 171 C 14312/16

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