5. Januar 2020 von Hartmut Fischer
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Birken fällen oder Laubrente?

Birken fällen oder Laubrente?

5. Januar 2020 / Hartmut Fischer

Wenn die Bäume des Nachbarn zu erheblichen Beeinträchtigungen auf dem eigenen Grundstück führen, kann man eventuell eine Laubrente einfordern. Das geht allerdings nicht, wenn die Bäume entsprechend der landesrechtlichen Bestimmungen weit genug von der Grundstücksgrenze entfernt sind. Dies entschied der Bundesgerichthof in einem Urteil vom 20.09.2019 (Aktenzeichen V ZR 218/18).

In dem dem Urteil zugrunde liegenden Verfahren ging es um drei gesunde, rund 18 Meter hohe Birken auf einem Grundstück in Baden-Württemberg. Diese standen 2 Meter oder weiter von der Grundstücksgrenze entfernt. Die Bäume verursachten auf dem Nachbargrundstück erhebliche Beeinträchtigungen. Insbesondere in den Monaten Juni bis November waren die Belastungen für den Nachbarn besonders schlimm. Darum klagte er mit dem Ziel, dass die Bäume entfernt werden sollten. Hilfsweise forderte er, falls die Birken nicht gefällt würden, eine Laubrente von 230 Euro pro Monat für den Zeitraum von Juli bis November.


Was ist eine Laubrente?
Gehen die Immissionen von Pflanzen des Nachbargrundstücks über das normalerweise hinnehmbare Maß hinaus, kann der betroffene Grundstückseigentümer eine Art Aufwandsentschädigung vom Eigentümer der Pflanzen verlangen. Diese Entschädigung nennt man Laubrente.


Der Eigentümer der Birken sah keinen Anspruch auf eine Laubrente, da die Bäume den Bestimmungen von Baden-Württemberg entsprechend gepflanzt seien. Sie hätten den vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Metern zur Grundstückgrenze.

Das Amtsgericht lehnte die Klage des Nachbarn ab. Das Landgericht Karlsruhe entschied hingegen, dass die Bäume beseitigt werden müssten. Das Gericht sah den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB erfüllt.


§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.


Das Landgericht stellte klar, dass Bundesrecht (BGB) vor Landesrecht gelte. Außerdem sei die Abstandsregelung lediglich bezüglich einer eventuellen Verschattung eingeführt worden. Der Baumeigentümer ging gegen diese Entscheidung Berufung ein.

Dieser hob die Entscheidung des Landgerichts auf. Nach Ansicht der Richter könne der § 1004 BGB nicht angewandt werden, da der Baumeigentümer nicht als „Störer“ im Sinne dieses Paragraphen angesehen werden dürfe. Das Grundstück werde ordnungsgemäß bewirtschaftet. Dies ergebe sich schon daraus, dass die landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten würden. Für die natürlichen Beeinträchtigungen könne der Birkeneigentümer nicht verantwortlich gemacht werden.

Es spiele dabei keine Rolle, dass die Abstandsregeln des Landes Baden-Württemberg primär darauf abzielten, Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch Schatten beziehungsweise Luftveränderungen zu schützen. Entscheidend sei hier, dass bei Einhaltung der Grenzabstände die Baumanpflanzungen als zulässige Grundstücksnutzung anzusehen sei. Deshalb müsse man von einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung ausgehen.

In seiner Begründung stellte der BGH weiter fest, dass natürlich keine landesrechtlichen Bestimmungen Bundesrechte entziehen könnten. Hier gehe es aber zunächst um die Frage, in wieweit der Birkeneigentümer für die natürlichen Beeinträchtigungen verantwortlich sei, wenn er die landesrechtlichen Bestimmungen eingehalten habe. Da der Baumeigentümer die Landesvorschriften einhielt, könne er nicht als Störer nach § 1004 BGB angesehen werden. Ein Widerspruch zwischen den Regelungen des Landes Baden-Württemberg und dem § 1004 BGB bestehe insofern nicht.

Es sei zwar richtig, so der Bundesgerichtshof, dass dem Nachbarn durch landesrechtliche Vorschriften keine Rechte entzogen werden dürfen, die sich aus § 1004 BGB ergeben. Darum gehe es hier aber nicht. Vielmehr stelle sich die Vorfrage, ob ein Grundstückseigentümer für natürliche Beeinträchtigungen überhaupt verantwortlich ist, wenn landesrechtliche Grenzabstände eingehalten werden. In diesem Fall sei er schon nicht Störer, so dass es bereits an einem Beseitigungsanspruch fehlt. Ein Konflikt zwischen den Regeln des BGB und den landesrechtlichen Vorschriften bestehe nicht. Deshalb habe der Nachbar weder Anspruch auf Beseitigung der Pflanzen noch stehe ihm eine Laubrente zu.

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Foto: Free-Photos auf Pixabay

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